Carlos A. Gebauer
Als ich hörte, daß geschiedene Frauen Freiwild seien, dachte ich nur eines: Ich möchte eine geschiedene Frau sein. Dann lernte ich Rita P. kennen. Sie erklärte mir nicht nur, daß ich als Mann niemals eine geschiedene Frau sein könne. Insbesondere machte sie mir klar, wie wenig erstrebenswert ihr Schicksal war.
Rita P. nämlich hatte ohne Ehevertrag geheiratet. Damals, sagte sie, habe sie den Gedanken an einen Ehevertrag für eine emotionale Entgleisung gehalten. Ehe habe schließlich nichts mit Verträgen zu tun. Wenn man sich nicht gegenseitig vertraue, dann solle man erst gar nicht heiraten. Das war damals ihr felsenfester Standpunkt. Zu spät hatte sie gemerkt, daß einerseits Eheverträge und andererseits Respekt und Vertrauen überhaupt keine Gegensätze sind. Wer für seine Ehe nämlich keinen Ehevertrag schließt, für den gelten trotzdem Regeln. Und diese Regeln sind die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen des Eherechtes. Die aber sind bisweilen sehr, sehr überraschend.
Die von Hause aus vermögende Rita P. nun hatte zu Beginn ihrer Ehe gleich mehrere Fehler gemacht: Zuerst hatte sie sich von ihrem Bräutigam nicht schriftlich den Stand ihres Kontos bestätigen lassen. Diese Unterlassung rächte sich nun böse. Denn wer nicht beweisen kann, daß er schon zu Beginn seiner Ehe über ein stattliches Vermögen verfügte, der wird zum Scheidungstermin so behandelt, als habe er seinen ganzen Besitz während der Ehe erworben. Da ihr Ehemann während der Ehe keinen eigenen Ehrgeiz entwickelt hatte, sparend Rücklagen zu bilden, mußte Rita P. zuletzt die Hälfte ihres Barvermögens an ihn überweisen. Das Familiengericht nannte das „Zugewinnausgleich“. Rita P. nannte es: Ein Verbrechen.
Ihr nächster Fehler war gewesen, zu Beginn der Ehe in die Wohnung ihres Mannes zu ziehen. Dessen Einrichtung hatte sie nicht gemocht. Gemeinsam mit ihm war alles neu gekauft worden. Rita P. hatte bezahlt. Als der Scheidungsrichter Rita P. bestätigte, daß nach dem Gesetz der gesamte Hausrat trotzdem ausschließlich ihrem geschiedenen Mann gehörte, war sie wiederum erstaunt. Der Richter sprach von „Hausratverordnung“. Rita P. sprach von Irrsinn.
Am lautesten jedoch war die Auseinandersetzung der künftigen Ex-Eheleute im Zusammenhang mit der Unterhaltsfrage. Rita P. – aus gutem Hause – hatte während aller Ehejahre Wert gelegt auf geordnete Finanzen und ein auskömmliches Einkommen. Ihr Mann war in seiner Lebensgestaltung nicht vordringlich an Exzessen der Berufstätigkeit interessiert gewesen. Er, der schon ihren Namen angenommen hatte, füllte gerne das Bild eines „neuen Mannes“ aus, der die Karriere seiner Frau gut erträgt. Leider hatten sich seine Erwerbsmöglichkeiten konjukturbedingt vermindert. Kurz vor der Trennung war er arbeitslos geworden. Der Streit über die Höhe seines nachehelichen Unterhaltes geriet heftig. Rita P. war irritiert, neben ihrem halben Vermögen und der Einrichtung auch nachehelichen Unterhalt zahlen zu sollen. Doch das Gesetz sprach klare Worte.
Einige Monate später habe ich Rita P. wieder getroffen. Sie schien nicht entspannter. Zwar werde ihre Unterhaltspflicht nun bald enden, erzählte sie, weil ihr Ex-Mann neu heirate. Daß er aber von der neuesten Möglichkeit Gebrauch machen wolle, ihren Namen auf seine neue Frau zu übertragen, bereitete Rita P. viel Kummer.
Wer sich auf den Gesetzgeber verlasse, statt sich eigenes Recht zu schaffen, sei wohl doch nicht so gut beraten, meinte sie. Liebe hin, Vertrauen her: Ehe, wem Ehe gebührt, doch wer ein Herz beherrschen möchte, der sollte lieber Kardiologe werden.