Gängelband 2005 für die BfA

“Die Renten sind sicher!”

Laudatio

Verleihung des “Gängelbandes 2005” der Stiftung Liberales Netzwerk
am 22. April 2005, Pariser Platz 6, Berlin an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte

von Carlos A. Gebauer

“Houston, wir haben ein Problem.”

James Lovell, Apollo 13

“Dr. Rische, holen Sie uns hier raus!”

Deutschland 2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste,

die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte – die “BfA” – ist unsere diesjährige Preisträgerin für das “Gängelband des Jahres”. Der Preis wird bekanntlich verliehen an denjenigen, der eigene Interessen (oder die einer Minderheit) in herausragender Weise über das Interesse der Allgemeinheit gestellt hat und die persönliche Freiheit der einzelnen Bürger dadurch maßgeblich behindert. Nach unserer Beobachtung haben wir – leider – begründeten Anlaß, der BfA insgesamt, vertreten durch den Vorsitzenden ihrer Geschäftsführung, Herrn Dr. Herbert Rische, das diesjährige “Gängelband” zu verleihen. Warum?

I.

Die BfA ist eine Behörde. Ihre Leitung ist also Beamten übertragen. Beamten kommt – nach den Gesetzen unseres Landes – zu, die “Sicherung des Staates” zu betreiben[1]. Beamter darf folgerichtig nur derjenige werden, der jederzeit für die “freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes” einzutreten bereit ist[2]. Bei seiner Amtsführung dient er dann “dem ganzen Volk, nicht einer Partei[3]. Das heißt, er hat seine Aufgaben “unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen[4].

Weil sich daher jeder einzelne Beamte der BfA “mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen[5] und sein Amt “nach bestem Gewissen zu verwalten hat[6], kann nicht verwundern, wenn auch geschrieben steht: Der Beamte ist verpflichtet, “seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen[7]. Hat er Bedenken gegen Anordnungen seines Chefs, dann hat er diese “unverzüglich bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen[8]. Sollte dieser dann weiterhin Fragwürdiges anweisen, hat er sich “an den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden[9].

Grundgesetz und Beamtenrecht verlangen also – zusammengefaßt – einen Beamten, der sich mit engagierter Objektivität gewissenhaft dafür einsetzt, daß der Allgemeinheit seines Volkes Gerechtigkeit und Wohl widerfahren. Notfalls auch gegen den Willen seines unmittelbaren Vorgesetzten.

Unsere Laudationskommission hat feststellen müssen, daß die Beamten unserer Preisträgerin diesen hehren Maßstäben – leider – schon seit längerem nicht gerecht geworden sind. Und  sie mußte feststellen, daß dies – leider – nicht ohne massive Konsequenzen für die Bürger unseres Landes geblieben ist.

II.

In ihrem Kern kommt der BfA bekanntlich die Aufgabe zu, Rentner zu alimentieren. Nach einem langen und arbeitsreichen Leben soll für jeden Angestellten sichergestellt sein, daß er seinen Lebensabend frei von finanziellen Sorgen gestalten – und möglichst genießen – kann.

(Für Arbeiter besorgen dies übrigens die Landesversicherungsanstalten nach demselben Muster. Auch auf sie darf heute zumindest ein kleiner Abglanz des Rampenlichtes für unsere Preisträgerin leuchten. Die Arbeit dieser LVAs ist selbstverständlich – ebenso wie die der BfA – hochkompliziert und intellektuell auf das Feinste in alle Richtungen durchdrungen. Die Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten nahm man nach traditioneller Lehre übrigens so vor: Arbeiter stehen bei der Arbeit und Angestellte sitzen).

Bundesdeutsche Rentenpolitik nach Konrad Adenauer hatte eine klare Vorstellung: Das Ziel der Altersversorgung durch die BfA sollte mit Hilfe des sogenannten “Umlageprinzipes” erreicht werden. Der einzelne Bürger spart nach diesem Prinzip bekanntlich nicht einen eigenen, persönlichen Kapitalstock an, den er dann im Alter – nebst aufgelaufener Zinsen – verzehrt. Sondern alles Geld, was ein heute Berufstätiger in dieses System einzahlt, wird (anstelle einer individuellen Kapitaldeckung) sofort an einen heutigen Rentner umverteilt.

Im Gegenzug zu seinen heutigen Einzahlungen erhält das Mitglied in den Zentralrechnern der BfA eine Art Bezugsschein (eine “Anwartschaft”). Aus diesem ergeben sich dann später – so sagt man – eigene Bezugsrechte aus der Gemeinschaftskasse. Die gesamten Verrechnungsmodalitäten und Verwaltungsanstrengungen übernimmt die BfA. (Und das ist eine schwere Last. Wer je einen Berechnungsbogen der BfA zur Ermittlung des Versorgungsausgleichsanspruches in einem Ehescheidungsverfahren gesehen hat, der erkennt sofort: So kompliziert wie diese Berechnung kann die gescheiterte Ehe selbst nie gewesen sein.)

Notwendigerweise müssen also bei der BfA die klügsten Köpfe arbeiten, um dieses – wie gesagt: verwaltungstechnisch hochkomplizierte – System funktionsfähig zu gestalten und zu erhalten.

III.

Wir sind demnach – wie alle Mitglieder der BfA – überzeugt: Unser Staat kann seit jeher nur seinen fähigsten und weitblickendsten Beamten die vertrauensvolle Arbeit an diesem wichtigen System übertragen haben. Nur die Qualifiziertesten und Gewissenhaftesten kamen hierfür in Betracht. Aus eben diesem Grunde sind wir allerdings auch sicher, daß exakt jener Verwaltungselite der deutschen Staatsbürokratie (und schon lange vor uns!) wenigstens[10] folgende sechs Gedanken durch die Köpfe gegangen sein müßten:

1.) Das Umlageprinzip – anstelle einer Kapitaldeckung – wurde als “Generationenvertrag” bezeichnet. Irritierenderweise aber handelt es sich bei diesem “Generationenvertrag” (bei genauer juristischer Betrachtung) um nichts anderes, als um einen “Vertrag zu Lasten Dritter” im klassischen Sinne!

Großvater A sagt – der Sache nach – zu Sohn B: “Wenn Du mir meine Rente zahlst, dann verspreche ich Dir, daß Enkel C Dir Deine Rente bezahlen wird.” Irritierend hieran ist: Enkel C weiß von diesem Versprechen nichts, obwohl genau er es später erfüllen muß. Leider wurde mit dieser Grundprämisse der BfA eine jahrtausendealte Weisheit verkannt: Schon die römischen Juristen hielten einen “Vertrag zu Lasten Dritter” nämlich schlicht für unwirksam! Sollten dies die Beamten der BfA übersehen haben?

2.) Es steht zu vermuten, daß die Beamten der BfA diese – nach zivilrechtlichen Maßstäben zweifelsfreie – Unwirksamkeit des Rechtskonstruktes “Generationenvertrag” schon früh deutlich erkannt haben. Mutmaßlich aus genau diesem Grunde luden sie das Konstrukt aber – sozusagen kompensatorisch – mit einer äußerst starken verfassungsrechtlichen Spannung auf. Sie stellten die Rentenanwartschaften nämlich unter den grundrechtlichen Eigentumsschutz aus Art. 14 GG!

Skeptiker wurden damit gebadet im wohlig-warmen Versprechen, ihre Rente sei so sicher wie Eigentum. Was dabei gedanklich mitschwang, war: Enteignungen kämen allenfalls gegen eine Entschädigung in Betracht. Die Rente schien also sicher.

Leider wurde aber auch damit eine simple Weisheit verkannt: Der Staat mag die Substanz eines Eigentumsgegenstandes noch mehr oder minder effektiv schützen können. Wenn er aber – mangels Kapitaldeckung – derlei Substanz einer Rente erst gar nicht bildet, sondern nur Hoffnung auf künftige Früchte fremder Arbeit richtet, die er an sich bringen und verteilen werde, dann verspricht er in Wahrheit nur, etwas zu schützen, was es (noch) gar nicht gibt!

Mit lautem, sozialstaatlichem Getöse (und bisweilen herzergreifenden Bildern von Trümmerfrauen auf seinen Fahnen) verteidigt er also lediglich ein Vakuum[11]. Und der Kenner sieht, daß jenes scheppernde Nichts zugleich – en passant – die gesamte gewachsene Grundrechts-Dogmatik zersprengt. Der Schutz einer Vermögensposition “Rente” erfordert plötzlich spiegelbildlich die Verletzung der Vermögensposition “Arbeitseinkommen” eines anderen. Sollten die Beamten der BfA dieses – pardon – Menschenrechts-Paradox übersehen haben[12]?

3.) Wir dürfen weiterhin annehmen, daß die Beamten der BfA vertraut sind mit der Regel vom “gesetzlichen Zahlungsmittel”. Gesetzliches Zahlungsmittel ist – man hat Anlaß, es zu bedauern, doch es ist die Realität – staatliches Geld in Gestalt staatlicher Währung[13].

Wenn nun aber der arbeitende Mensch höchst real gezwungen wird[14], wirkliches (und von ihm selbst erarbeitetes) Geld in ein höchst reales System einzuzahlen, dann ist doch wohl in gewisser Weise unfair, ihm im Gegenzug bei Erreichen des eigenen Renteneintrittsalters nur eine fiktive Rentenanwartschaft (mit höchst real ungewisser Kaufkraft) in Aussicht zu stellen.

Leider werden also auch hier gleichzeitig sowohl eine Grundregel des Gerechtigkeitsprinzips, als auch des geschriebenen Gesetzes gebrochen: Einzahlung und Auszahlung stehen nicht in einem Gleichgewicht. Und dem gesetzlichen Zahlungsmittel “Geld” wird – irritierenderweise – ein anderes Zahlungsmittel beigesellt: Die undefinierbare Anwartschaft[15]. Sollten dies die Beamten der BfA übersehen haben? (Ich bitte ausdrücklich, an dieser Stelle wohlwollend zu bemerken, daß die Widerlegung des Gerechtigkeitsprinzips innerhalb der BfA schlüssig gelungen ist, ohne die Vokabel “Rußlanddeutscher” auszusprechen!)

4.) Jenseits dieser juristisch-normativen Betrachtung stellt sich aber auch ein höchst faktisches Problem. Wie kann ein solches System auf Dauer funktionieren, wenn ihm seine (künftigen) Einzahler abhanden kommen? Wir Deutschen werden ja immer weniger.

Vielleicht werden die Geschichtsbücher unserer Welt eines Tages berichten: “Die Deutschen erfanden den Sozialstaat. Dann starben sie aus”? Will sagen: Je mehr der demographische Tannenbaum Kopf steht, desto kraftvoller erodiert auch der pekuniäre Nährboden des Systems. Und unten rieselt seine Finanzierbarkeit wie aus einem Trichter ins Nichts. Zum Schluß überschlagen sich erstens die Bilder und zweitens schlägt die Erosion der Tanne die Krone vom Fuß. Und endlich sind alle in ihren Assoziationen so verwirrt, wie es das System und seine Techniker schon lange waren.

Aber, im Ernst: Vielleicht ist dies sozusagen die nationalökonomische Schattenseite der Säkularisierung. Je töter Gott, desto gotter der Staat. Bis zuletzt – gleichsam pantheistisch – überall der Gott Staat waltet und die Prozession der Altersrentner hinter dem Heiligenbild des “Rentners Eck” marschiert, ohne ihn selbst – prozessionstypisch – je greifen zu können. Vielleicht war es ja auch kein Zufall, daß es ausgerechnet ein Christ demokrat war, der sagte: “Die Renten sind sicher”? Denn bekanntlich gilt hierzukontinent seit Augustinus: Credo, quia absurdum est … ! (Auf diese katholisch-allumfassende, besser “all-erfassende” Dimension wird noch zurückzukommen sein.) Sollten die Beamten der BfA also diese demographische Erosion ebenfalls übersehen haben?

5.) Bemerkenswerter Weise werden alle Mitglieder der BfA auch in ein einheitliches System gezwungen. So werden diese “zu Brei flachgestrichen[16] Menschen auch dereinst alle einheitlich vom Bestand dieses einen Systems abhängig sein.

Was aber geschieht, wenn dieses eine System strauchelt? Man muß eigentlich weder Kornbauer aus dem amerikanischen Mittelwesten sein, noch gar Joschka Künast heißen, um zu wissen: Monokulturen sind eine anfällige Angelegenheit. Das Analogon zur biodynamischen Streuobstplantage muß also ersichtlich (was läge näher?) auch im Rentenversicherungssystem heißen: Diversifizierung. So, wie es chinesische Bäuerinnen seit Jahrtausenden ihre Kinder lehren: “Lege niemals alle Eier in einen Korb!” Alles andere ist – in Anlehnung an eine Formulierung Papst Benedikt des XVI. – sicher intellektuell defizitär. Sollten die Beamten der BfA auch dies nicht gewußt haben?

6.) Mit dem Beginn dieses Jahres 2005 hat nun – und dies war der letzte und entscheidende Impuls für die heutige Preisverleihung – im Hause der BfA eine weitere Einrichtung ihre Tätigkeit aufgenommen: “Die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen” (ZfA), im Internet auch zu finden unter der – harmlosen, weil eher an Susi und Strolchi, oder Tim und Struppi erinnernden – Bezeichnung “zusy.de”. Obgleich sie bei der BfA angesiedelt ist, wurde sie gleich dem Bundesfinanzministerium zugeordnet. Ihre Aufgabe ist maßgeblich, für den Datenabgleich bei Rentenzahlungen mit allen beteiligen Stellen zu sorgen, insbesondere also mit den Finanzämtern der Rentner. So wird – ganz unbürokratisch … – die Auszahlung einer Rente sofort zum Anknüpfungspunkt auch für eine etwaige Steuerpflicht.

Es ist all dies nicht mehr nur ein verwaltungstechnischer Operationsmodus. Vielmehr handelt es sich um die in Organisationsform gegossene Botschaft des Staates an alle seine Bürger: “Ich vertraue Euch nicht (mehr)!” Anstelle einer archaischen Wohlverhaltensvermutung[17] herrscht nun das Mißtrauensprinzip, sinnreich ergänzt um den legalisierten Bankgeheimnisverrat im toll-collect-wütigen Staat. Der Kapitalfluß wird an seiner Quelle, in seinem Lauf und an seiner jeweiligen Mündung maßgenau kanalisiert und erfaßt. Und all dies lustigerweise unter einem Grundgesetz, das stets erklärt hatte, seine Bürger dürften alles, nur niemals zum Objekt staatlicher Aktionen werden. Sollten dies die Elitebeamten der BfA verkannt haben?

IV.

Es will also insgesamt scheinen, als habe sich die rechtsdogmatische Fragwürdigkeit und die nationalökonomische Funktionsunfähigkeit des Rentensystems “á la BfA” denjenigen, die sich wirklich auskannten, schon seit längerem durchaus aufgedrängt. Und es will scheinen, als habe exakt derjenige Sachverstand, der dies zu erkennen vonnöten war, in den Reihen dieser BfA schon lange existiert.

Wenn aber ein billig und gerecht denkender Beamter selbst nie auf den Gedanken verfallen sein könnte, ein dermaßen juristisch-ökonomisch-demographisch-systematisch dem Tode geweihtes Konstrukt zu inszenieren: Wer war es dann? Die Politik? Wahrscheinlich! Doch: Entlastet dies die Preisträgerin, wenn sie doch im Besitze der Erkenntnis war?

Wir glauben nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn wir die Maßstäbe unseres deutschen Beamtenrechtes anlegen wollen. Denn nach diesem Recht waren unsere Beamten ja bekanntlich verpflichtet, die erkannten Bedenken an ihren unmittelbaren Vorgesetzen, also die Politik, mitzuteilen. Und wenn dieser Vorgesetzte nicht hören wollte, dann erwuchs ihnen die Pflicht, ihren nächsthöheren Vorgesetzten zu alarmieren: Das Volk höchstselbst! Hat aber irgendjemand die BfA je so reden hören?

Während schon Bücher geschrieben werden über den Kollaps des Rentensystems, die den Vergleich zu sittenwidrigen Schneeballspielen[18] ziehen und die von Lösungen aus dem Bereich einer geradezu offenen, staatlich organisierten räuberischen Erpressung schwärmen[19], hört man noch immer keinen öffentlich vernehmlichen Protest aus den Reihen der qualifizierten BfA-Beamtenschaft.

Statt dessen werden nur technokratisch Mitgliedschaften erweitert, Bemessungsgrenzen verschoben und Prozentsätze erhöht. Freiberuflichkeit wird mit faszinierendem definitorischen Aufwand eingeschränkt, um neue Einzahler zu gewinnen (derzeit zieht die BfA z.B. allen Ernstes durch das Land und klassifiziert Fernseh-Regisseure in solche, die Künstler seien und solche, die nur überwiegend vorgegebene Abläufe koordinierten; letztere seien in Wahrheit nicht frei, sondern weisungsabhängig und also rentenbeitragspflichtig! Der pantheistische Sozialstaat quillt durch alle Nähte.). Dann werden wieder Schwankungsreserven verkleinert oder monatliche Auszahlungszeitpunkte und Renteneintrittsalter verschoben. Rentenerhöhungen minimieren sich, stagnieren und werden natürlich bald zu Rentenkürzungen mutieren[20]. Aber: Protest? Laute und vernehmliche Kritik? Unhörbar aus den Reihen der Preisträgerin, die doch keiner Partei, sondern nur dem ganzen Volk verpflichtet ist.

V.

In der Konsequenz müssen mehr und mehr Rentner am Gängelband der BfA leben. Und ebenso leben die Einzahlenden an diesem selben Gängelband. Sie alle werden unausweichlich zu Spielbällen tagespolitischer Beliebigkeiten im Grundrechtsparadox namens “Generationenvertrag”. Rentner empfinden sich zuletzt als quersubventionierte Kostgänger der Jugend. Und nicht nur Angestellte tanken nolens volens ökosteuerlogisch für die Rente. Der Kulminationspunkt aller Renten- und Steuerlogik ist schließlich: Rentenkassen werden einerseits aus Steuermitteln bezuschußt und andrerseits werden Renten zunehmend besteuert. Wieder einmal leben Menschen also in der Illusion, ein perpetuum mobile konstruiert zu haben. Also: Pflichtversicherte Prozessionsraupen on tour? Nein. Es perpetuiert sich ausschließlich die öffentliche Verwaltung. Das Eigeninteresse am Behördenerhalt hat also wohl – wieder einmal – überwogen. Und das Volk ist gefangen. Alternativlos. Schachmatt. Gegängelt.

VI.

Was also ist zum Schluß zu tun? Der amerikanische Journalist P. J. O‘ Rourke begab sich im Dezember 1992 auf eine Reise durch Somalia. Kurz vor Sylvester begleitete er einen Militärkonvoi, der – in bester Absicht und edler Mission – Lebensmittel durch die Wüste transportierte. Er berichtet:

Nach Sonnenuntergang kam der Konvoi irgendwie vom Kurs ab. Ich weiß zwar nicht genau, was passierte, aber ich glaube, daß der Fahrer an der Spitze der Kolonne etwas sah, was er für die Lichter des Flugfeldes von Jalaaqsi hielt. Er muß auf sie zugefahren sein. In Wahrheit waren es aber die Lichter der letzten Fahrzeuge des Konvois. Wie auch immer: Am Ende hatten wir ein riesiges Karussell aus Lastwagen, Jeeps und Panzerfahrzeugen, die in der Wüste im Kreis herumfuhren.[21]

Merke: Ein Scout, der sich wirklich auskennt, findet auch wieder aus seiner Wüste heraus[22]. Daher unser Ruf aus der Wüste an den Vorsitzenden der Geschäftsführung der BfA: Herr Dr. Rische, bitte, holen Sie uns hier raus!


[1]§ 4 Nr. 2 BBG
[2]§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG
[3]§ 52 Abs. 1 Satz 1 BBG
[4]§ 52 Abs. 1 Satz 2 BBG
[5]§ 54 Satz 1 BBG
[6]§ 54 Satz 2 BBG
[7]§ 55 Satz 1 BBG
[8]§ 56 Abs. 2 Satz 1 BBG
[9]§ 56 Abs. 2 Satz 2 BBG
[10]Fragen wie die, inwieweit
die – derzeit laufende – “Sozialwahl” eine Wahl sei und was
sie zu einer “sozialen” mache, wollten wir in Anbetracht des festlichen
Rahmens unserer Preisverleihung explizit nicht stellen, zumal das kontroverse
Finden von Lösungen auch stets einen gewissen Konsens voraussetzt, der nicht
generell in Frage gestellt sein soll.
[11]Mit der unerfreulichen Konsequenz:
Will der Staat in Erfüllung seines Versprechens das Vakuum später doch noch
mit Substanz füllen, muß er seine künftigen Bürger unausweichlich zu Frondiensten
für das System zwingen. Die Beitragszahlungspflicht des Pflichtversicherten
ist – es mag hart klingen – nur die homöopatische Vorstufe zu Zwangsarbeit
(wenn man überhaupt angesichts von Beitragssätzen um 20% noch von Homöopathie
sprechen mag). Zuletzt kommt in dieser Umgebung eben nicht mehr nur der Gerichtsvollzieher,
sondern der Henker, wenn Dissidenten und Häretiker streiken[vgl. F. A. von
Hayek: Der Weg zur Knechtschaft, 4. Aufl. Tübingen, S. 112f.]
[12]Wenn ein Menschenrecht zuletzt
ausschließlich noch (im wahrsten Sinne des Wortes!) auf Kosten eines
anderen Menschenrechtes gewährt werden kann, dann läßt sich dies auch nicht
mehr mit dem schönen Wort des Bundesverfassungsgerichtes von der “praktischen
Konkordanz
” erklären. Ich schlage daher vor, im Falle der Strangulierung
eines Grundrechtes durch ein anders ab sofort von einer “effektiven
Diskordanz
” zu sprechen.
[13]Wer seine Hoffnungen auf
eine ergänzende Kapitaldeckung des Rentensystems richtet, der sollte allerdings
– so viel Literaturempfehlung sei hier gestattet – unbedingt die Darstellungen
von Murray Rothbard: Das Schein-Geld-System zur Kenntnis nehmen. Wer
derzeit – nach Steuern – realistisch 1% Zinsertrag auf seine Ersparnisse realisieren
kann, der wird den inflationsbedingten Kaufkraftverlust seines Geldes nach
stets jährlicher Geldmengenerhöhung von 4,5% durch die Europäische Zentralbank
erkennbar nie auffangen. Schade.
[14]indem seinem Arbeitgeber mit Gefängnisstrafen gedroht
wird, § 266a StGB!
[15]Was umgekehrt aber übrigens
nicht hieße, daß “Geld” – anders als eine Rentenanwartschaft – irgendwie
definiert wäre; im Gegenteil: Der Gesetzgeber hat, was Geld ist, “nirgends
definiert, sondern vorausgesetzt
”[vgl. Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar,
64. Aufl. 2005, § 245 BGB Rn 1]
[16]So – in ähnlichem Zusammenhang
– wunderbar ins Bild gefaßt von Valentin Braitenberg: Ill oder Der
Engel und die Philosophen, München 1999, S. 12
[17]Deren Krönung einer der berühmtesten
juristischen Sätze überhaupt ist und den selbst juristische Laien und Nichtlateiner
bestens kennen: in dubio pro reo!
[18]Bernd W. Klöckner, Die gierige
Generation, Ffm 2003, S. 24 ff.
[19]Solcherlei schlägt Klöckner
bezogen auf Altersrückstellungen von privaten Krankenversicherungen, a.a.O.
S. 202, ernsthaft vor (!).
[20]Selbst die zarten Anfänge
einer zusätzlichen Kapitaldeckung, die mit dem Namen des Gewerkschafter-Ministers
Riester verbunden sind, können nur den beruhigen, der entweder die
Geldmengenpolitik der Europäischen Zentralbank nicht kennt, oder der die Bedeutung
des dauerhaft flexibilisiert-aufgeweichten “Stabilitätspaktes
verkennt.
[21]P. J. O‘ Rourke, Alle Sorgen dieser Welt, Hamburg 1995,
S. 100
[22]Bezeichnend ist eine andere
Episode, in der O‘ Rourke den Autor Roderick Franzier Nash zitiert, der sich
im Dschungel Malaysias über einen Dolmetscher mit einem einheimischen Jäger
unterhielt: “Ich bat den Dolmetscher schließlich, den Jäger zu fragen,
wie er in seiner Sprache sagt ‚Ich habe mich im Dschungel verlaufen.‘ …
Der Dolmetscher … sagte … der Mann habe ihm angedeutet, er verlaufe sich
nicht im Dschungel.
” a.a.O. S. 137
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