Befreundete Ehepaare

von Carlos A. Gebauer

Der technische Bundesbahnsekretär Götz-Hagen R. ist ein Pechvogel. Während er seinem Bruder half, Eier aus dem elterlichen Hühnerstall in Kartons zu verpacken, klingelte sein Funktelefon. Er legte die letzten Eier beiseite und meldete sich. Das war rechtswidrig. Denn nach der EWG-Verordnung des Europäischen Rates Nr. 1907/90 in der Fassung vom 17. November 2003 muß man „alle Eier eines Behältnisses ohne Unterbrechung sortieren oder verpacken“.

Götz-Hagen R. hatte also Anlaß, jenes Telefonat zu verbergen. Da er seine berufliche Laufbahn ändern und Betriebsaufseher werden wollte, lag ihm an einem tadellosen Lebenslauf. Mit einem nur „eingeschränkten horizontalen Wechsel des Funktionsbereiches innerhalb der Laufbahn“ war er nicht zufrieden. Nur der aber wäre noch möglich, wenn ihm der volle Laufbahnwechsel verschlossen bliebe, sagt die Eisenbahn-Laufbahnverordnung.

Doch es kam anders. In Sichtweite arbeitete sein Kegelbruder Jens F. an Bienenständen. Wie man weiß, müssen Gegenstände, die zur Honigerzeugung benutzt werden, nach Gebrauch mindestens 20 Minuten einer Temperatur von 230° C ausgesetzt werden. Jens F. aber hatte es eilig. Er erhitzte seine Schöpfkellen in dem Betriebsraum nur 15 Minuten. Das war ein Verstoß gegen die Bienenseuchenverordnung. Als Jens F. das Bienenvolk verließ, traf er auf Götz-Hagen R. und befürchtete, ebenfalls von ihm beobachtet worden zu sein. Unter seinem schlechten Gewissen glaubte er im Angriff die beste Verteidigung und sagte: Ich werde von Deinem Telefonat im Hühnerstall berichten, wenn Du von meinem Bienendelikt erzählst! So wurden beide gleichsam Brüder im Rechtsverstoß. Und meist schmiedet nichts Menschen mehr zusammen, als das Wissen um die Leichen im Keller des anderen.

Aber es kam anders. Denn sie hatten die Rechnung ohne ihre Frauen gemacht. Frau R. wollte nicht, daß ihr Mann Betriebsaufseher würde. Sie war nämlich schwanger und freute sich, demnächst bei der Arbeit keine Geräte mehr „mit hoher Fußbeanspruchung“ bedienen zu müssen. Diese Aussicht eröffnete ihr – bestimmt nicht ohne guten Grund, wie sie überzeugt war – die Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen. Da die Dienstzeiten für Betriebsaufseher andere waren, als die für Sekretäre, fürchtete sie, nachts alleine mit einer Fußleiter das eheliche Hochbett erklimmen zu müssen. Genau davor hatte sie Angst. So verfiel sie auf eine List: Sie versprach der Frau von Jens F., zu vergessen, daß diese die saugfähigen Bodenauflagen am Ausgang ihres Fasanen-Stalles bei der letzten Geflügelseuche nicht durchgängig mit Desinfektionsmittel feucht gehalten hatte. Dieser Verstoß gegen die Geflügelpest-Verordung würde nur ungesühnt bleiben können, wenn Jens F. seinen Widersacher auffliegen ließe. Und so geschah es.

In seinem Sekretariat dachte Götz-Hagen R.: Gesetze haben Nebenwirkungen, vor denen keine Packungsbeilage schützt.

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