Carlos A. Gebauer
Haben die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft und das Sexualleben eines Menschen etwas miteinander zu tun? Auf den ersten Blick wenig, auf den zweiten einiges. Beide nämlich sind besonders geschützte Sozialdaten im Sinne des Sozialgesetzbuches. Erfährt also eine Behörde beispielsweise, daß einer – aus welchem Grund auch immer – sich gerne Plastiktüten über den Kopf zieht, genießt er besonderen Schutz. Die Behörde darf es nicht einfach weitersagen.
Nun mag mancher fragen: Was hat der Gesetzgeber sich dabei gedacht, als er ausgerechnet die Gewerkschaftszugehörigkeit und das Sexualleben zu derart besonders vertraulichen Geheimnissen machte? Immerhin ist heute ein breites Spektrum auch ungewöhnlichster sexueller Praktiken gesellschaftlich ebenso toleriert, wie die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Die elektronische Erhebung, Verarbeitung, Speicherung und Nutzung derartiger Informationen scheint also alleine schon deswegen unproblematisch, weil diese Kenntnisse im Ergebnis niemanden wirklich interessieren. Selbst die Mutmaßungen eines befreundeten Zynikers zu dieser Gesetzestechnik gehen eher fehl. Der nämlich meinte, eine Vielzahl von Menschen trete einer Gewerkschaft nur bei, um auf lohnfortgezahlten gewerkschaftlichen Weiterbildungsveranstaltungen Kegelbekanntschaften abseits der eigenen Ehe ungestörter kennenzulernen.
Zwar wird man in der Regel nicht Gewerkschafter, weil man sehen möchte, welche Spuren der Surrealismus auch in den Wirtschaftswissenschaften hinterlassen hat. Aber das Bestreben, ehebrecherische Aktivitäten zu kaschieren, ist wohl kaum der Sinn dieses Gesetzes. Wahrscheinlich gibt es gute historische Gründe, diesen Geheimnisschutz neben ethnischer Herkunft, politischer Meinung und philosophischer Überzeugung einzuordnen. Es mag dabei bewenden.
Trotz allem aber bleiben ungeklärte Fragen. Was nämlich ist mit Lebenspartnern nach dem „Gesetz über die Eingetragenen Lebenspartnerschaften“? Nach diesem Gesetz sind verpartnerte Personen gleichen Geschlechtes zur „gemeinsamen Lebensgestaltung“ verpflichtet. Und sie tragen füreinander Verantwortung. Das sind praktisch dieselben Worte, mit denen das Gesetz Eheleute – zur Erinnerung: Zwei Personen unterschiedlichen Geschlechtes – zur „Geschlechtsgemeinschaft“ verpflichtet. So jedenfalls drückt sich der Bundesgerichtshof aus. Mit anderen Worten: Lebenspartner sind gesetzlich verpflichtet, sich gegenseitig anzufassen. Spätestens dann, wenn ihre Partnerschaft eingetragen ist. Wenn sie aber gesetzlich zu solcherlei Körperkontakten verpflichtet sind, dann ist irgendwie auch etwas über ihr Sexualleben gesagt. Und über genau dieses Sozialdatum hat man eigentlich zu schweigen.
Das aber bedeutet im Ergebnis doch nichts anderes, als daß man über eine eingetragene Partnerschaft – ebenso wie über das Bestehen einer Ehe – datenschutzgemäß zu schweigen hat. Auch hier vermochte der nochmals befragte Zyniker aus dem Freundeskreis keine Lösung des Rechtsproblemes anzubieten. Denn auch das notorische Nichtanfassen nach langer Ehe ist doch irgendwie nur ein anderer Ausdruck für ein ganz bestimmtes sexuelles Leben. Irgendwie.
Aus solcherlei juristischen Fallstricken befreit man sich in der Regel nicht durch weiteres intensives Nachdenken, sondern schlicht durch Abstand. Eine Reise wirkt oft Wunder. In fernen Gefilden faßt der Geist neuerlich Kraft und Mut zu beherzten Lösungen. Empfehlenswert sind Reisen dorthin, wo einen niemand erreicht. Wo man Ruhe hat und ungestört ist. Vielleicht an einen Ort, über den nicht gesprochen werden darf. Der Blick in das Gesetz zeigt: Auch religiöse Überzeugungen sind besonders geschützt. Dort liegt die Lösung: Urlaub im Vatikan ist wie Ferien unter Psalmen.