Hubschrauber(in)

von Carlos A. Gebauer

In einer mir bekannten Stadt an einem Wald steht ein Krankenhaus. Das besitzt nicht nur medizinische Einrichtungen, sondern auch einen eigenen Hubschrauber-Landeplatz. In der Nähe des Landeplatzes verläuft ein öffentlicher Spazierweg. Und das ist gefährlich, meinten die Herren der Stadt. Denn die Bürgerinnen und Bürger könnten ja möglicherweise im Gefahrenbereich stehen bleiben, wenn über ihnen landend ein Hubschrauber naht. Also sahen sie sich aus Gründen der sogenannten Verkehrssicherungspflicht gehalten, das Publikum auf die Risiken hinzuweisen, die von einem Hubschrauber für Fußgänger ausgehen. So ließen sie eine Tafel errichten, auf der es sinngemäß heißt, man solle nicht „nähertreten“, wenn gerade ein Helikopter vom Himmel schwebt. Um zu zeigen, daß die Warnung nicht nur zum Spaß erfolgt und einen ernsten Hintergrund hat, ließen sie die Tafel unterschreiben mit der Zeile „Der Oberbürgermeister“.

Es begab sich aber zu der Zeit, daß die Stadt Kommunalwahlen abhielt. Da wurden alle Männer und Frauen, die im Stadtrat weise die Geschicke des Ortes leiten, neu aus der Mitte der Bürgerschaft bestimmt. Und weil heute nicht mehr nur Männer zu bestimmen haben, wie eine Stadt regiert wird, kam es, wie es kommen durfte: Die Stadt erkor sich eine Oberbürgermeisterin.

Konnte aber das Hubschrauber-Warnschild am Stadtwald nun noch in seiner ursprünglichen Form aufrecht erhalten werden? Was würde geschehen, wenn ein Passant das Schild in Kenntnis der Nichtexistenz eines Oberbürgermeisters nicht ernst nähme und – beispielsweise – mit bloßen Händen in die Rotoren des Fluggerätes griffe? Müßte nicht die fürsorgliche Stadtverwaltung für seine dann zerzausten Hände haften?

Also wurde ein neues Schild bestellt, gefertigt und errichtet, mit der Unterzeile „Die Oberbürgermeisterin“. Ein Teilaustausch nur der untersten Zeile war zu riskant. Vielleicht hätte dies die Lesbarkeit haftungsbegründend beeinträchtigt. Und außerdem: Ein wenig beeindruckend sollte das glänzende Schild schon sein. Immerhin reden wir quasi von einem hoheitlichen Akt.

Es bedarf hier der weiteren Schilderung nicht, daß nur wenige Jahre später erneut Wahlen abgehalten wurden in der Gemeinde. Und wie es die Regeln der statistischen Streubreiten vorgeben, wurde nun wieder ein Mann Oberbürgermeister, der für das sauer verdiente Geld seiner Bürger ein weiteres Schild in neuerlich maskuliner Variante beschaffen ließ. Denn die ursprüngliche Tafel war nach Jahren öffentlicher Verwahrung in den endlosen Weiten der gemeindlichen Lagerhallen natürlich nicht mehr auffindbar.

Lange dürfe es nicht dauern, bis der amtierende Oberbürgermeister an einem Sonntag spazierengehend erschaudert, daß die Formulierung des Schildes inzwischen falsch ist. Denn nun muß man selbstverständlich orthographisch korrekt warnen, daß niemand „näher treten“ soll. Vielleicht rege ich für das nächste Schild an, zugleich zu vermerken: „Berühren verboten“. Am besten gleich auch politisch korrekt in Blindenschrift.

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