Karstadt, Ver.di und Schröder

von Carlos A. Gebauer

Indem ich diese Zeilen schreibe, bangen tausende Mitarbeiter der Firma Karstadt-Quelle um ihren Arbeitsplatz. Denn Ihr Arbeitgeber ist – vorsichtig gesprochen – in finanziellen Schwierigkeiten. Das alleine wäre sicher für sich gesehen eine Nachricht wert, nicht aber schon einen weiteren Kommentar. Denn daß Unternehmen in Deutschland in Insolvenz fallen, hat inzwischen – traurig genug – gleichsam schon folkloristischen Charakter.

Das Drama um den Niedergang von Karstadt weist jedoch weitere, ganz besondere Noten auf. Zum einen wird in der Öffentlichkeit berichtet, daß die Dienstleistungsgewerkschaft „Ver.di“ gemeinsam mit dem Betriebsrat des Unternehmens schwerste Vorwürfe gegen das Management der Firma erhebt. Zum anderen erheben sich anschwellend sowohl Rufe wie auch Angebote, der Staat müsse die Rettung Karstadts zu seiner Sache machen.

Auch diese weiteren Gesichtspunkte der aufkeimenden öffentlichen Debatte wären – in guter bundesrepublikanischer Tradition – kaum der Rede wert, wenn nicht der Zeitpunkt des Debattenbeginns ein besonderer wäre. Zeitgleich mit dem Ruf nach dem rettenden Staat werden nämlich auch noch ganz andere Zahlen bekannt. Diese besagen, daß der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr wahrscheinlich mit dem fantastischen Negativrekord von 44 Milliarden Euro abschließen dürfte. Anders gesagt: Alleine der Bund gibt also im laufenden Jahr aller Voraussicht nach 44 Milliarden Euro mehr aus, als er einnimmt. Dieser Betrag wird sich nach allem hinter der Zeile finden, die die erforderliche „Nettoneuverschuldung“ des Bundes für dieses Jahr ausweist.

Wer – wie ich – einfachen Gemütes ist, mag dazu neigen, Vergleiche zu seinem eigenen Erleben zu ziehen: Wenn ich Jahr für Jahr meine Rechnungen nur deshalb noch bezahlen kann, weil ich mir von der Bank immer neues Geld leihe, dann habe ich augenscheinlich ein dauernd wachsendes Problem.

Nun gibt es also Stimmen, die sinngemäß ebenso fordern wie anbieten, der Staat möge die Schulden der Firma Karstadt übernehmen, damit die dortigen Arbeitsplätze „gerettet“ würden. In der Sache heißt dies nicht anderes als: Es möge Geld von einem überzogenen Konto auf ein anderes überzogenes Konto umgebucht werden. Mit der makaberen Konsequenz, daß die Mitarbeiter auf den „geretteten“ Arbeitsplätzen anschließend durch ihre erhöhten Steuern die angestiegenen Staatsschulden bedienen.

Wer, mag man fragen, hält solcherlei Form der Arbeitsplatzrettung für klug? Die Antwort ist nahe: Neben Politikern unterschiedlichster Couleur muß namentlich die Dienstleistungsgewerkschaft „Ver.di“ in dieser Strategie Sinn sehen, sonst würde sie sie nicht fordern. Wer aber ist „Ver.di“? Ist dies nicht die Gewerkschaft, die im Jahre 2003 selbst mit einem operativen Verlust von 59 Millionen Euro ihre Geschäfte abgeschlossen hat? Mit anderen Worten: Hat nicht auch „Ver.di“ im vergangenen Jahr schlicht mehr Geld ausgegeben, als eingenommen?

Im Ergebnis sehen wir also in diesen Tagen die Konferenzen dreier Fast-Pleitiers, die einander die Welt der Finanzen erklären. Wer sich an das Waldsterben und die Umwelt-Debatten der 1980er Jahre mit ihren kernigen Sprüchen erinnert, könnte durchaus formulieren: Wir behandeln unsere Volkswirtschaft so, als hätten wir noch eine zweite im Kofferraum. Und er könnte fragen: Erscheint auch dieses mal wieder ein Holzmann im Wald?

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