von Carlos A. Gebauer
Es gibt Bilder von zeitloser Schönheit und unbändiger Kraft. Das Aufflammen einer im Horizont schmelzenden Sonne, die Silhouette meiner schlafenden Frau im Gegenlicht einer Vollmondnacht, oder einen Neunjährigen, der mit ernstem Gesicht auf einer morgentau-feuchten Wiese behende eine Panzerfaust in Stellung bringt. Letzteres jedenfalls könnte die Phantasie einiger Damen und Herren des Bundeswirtschaftsministeriums gewesen sein, als sie die „Verordnung über den Umgang mit unbrauchbar gemachten Kriegswaffen“ vorbereiteten, die bekanntlich am 10. Juli 2004 in Kraft trat.
Nun endlich hat auch der Gesetzgeber klargestellt und ausgesprochen, was manch einer schon ohne Lektüre des Bundesgesetzblattes angenommen hätte: Kindern und Jugendlichen ist der Umgang mit unbrauchbar gemachten Kriegswaffen verboten. Deutsche Eltern, denen bislang noch selbstverständlich schien, die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Kinder mit zünderlosen Handgranaten, bolzenverklemmten Automatikgewehren oder inaktiven Milzbrand-Erregern zu fördern, werden mithin umdenken müssen. Das Bild deutscher Gymnasiasten, die kraftvoll-elegant panzerbrechende Geschütze durch unsere Fußgängerzonen tragen, wird sich demnach jetzt tiefgreifend wandeln. Denn die Erziehungsberechtigten haben Bußgelder zu befürchten, falls sie in ihrer Pädagogik fortfahren wie bisher. Wir reden immerhin von einer Ordnungswidrigkeit.
Es sei denn, die betroffenen Eltern wählen ordentlich den ordnungsgemäßen Weg durch die ordnende Bürokratie. Tatsächlich nämlich hat der Gesetzgeber – der Laie ahnte es, der Fachmann war fast sicher – auch in diesem Falle sorgfältig eine Ausnahmeregelung geschaffen: Wenn besondere Gründe vorliegen und öffentliche Interessen dem nicht entgegenstehen, kann – im Einzelfall, ausnahmsweise – auch einem Kind der Umgang mit unbrauchbar gemachten Kriegswaffen genehmigt werden. Zuständig ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.
Die Verordnung über den Umgang mit unbrauchbar gemachten Kriegswaffen lehrt demnach über ihren bloßen Inhalt hinaus wenigstens zweierlei: Erstens bleibt der Gesetzgeber erkennbar bemüht, auch noch in den abseitigsten Lebensbereichen das Selbstverständliche in Verordnungsform auszusprechen. Zweitens wird das, was ohnehin schon jedem klar war, für alle Fälle auch noch mit der Möglichkeit einer Ausnahmeregelung versehen. Jedermann ist eingeladen, sich „besondere Gründe“ auszudenken, die dafür sprechen könnten, einer Vierzehnjährigen den Umgang mit einer funktionsuntüchtigen Maschinenpistole zu gestatten.
All dies könnte nicht ärgern, wäre es nur die harmlose Freizeitgestaltung einiger Kriegsveteranen oder therapierter Pyromanen. Das aber ist es nicht. Vielmehr werden hier Stäbe von Verwaltungsbeamten öffentlich alimentiert, deren gesamtes Leben und Arbeiten ausnahmslos aus Steuermitteln finanziert ist. Und zaghaft erst weist die jüngere volkswirtschaftliche Literatur auf ein pikantes Detail hin: Öffentlich Bedienstete tragen zum Bruttosozialprodukt eines Volkes tatsächlich nichts – wirklich gar nichts – bei.
Doch wo Krisen sind und Ärgernisse, da sind oftmals Chancen auch und Trost. So auch hier: Nach ihrem § 1 Satz 2 gilt die Konfitürenverordnung vom 22. Oktober 2003 nicht für Erzeugnisse, die zur Herstellung von Keksen bestimmt sind. Das Gesetz schenkt uns damit auch noch ein anderes, kraftvoll-schönes Bild. Krümeln wir also, unbeherrscht!