Carlos A. Gebauer
Sie bleibt – nach wie vor – eine meiner Lieblings-Verordnungen: Die Verordnung über das Inverkehrbringen von Sportbooten. Anläßlich ihres anstehenden neunten Geburtstages hat der Gesetzgeber ihre alte Fassung außer Kraft gesetzt und ihr eine Neuveröffentlichung gegönnt. Pünktlich zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli 2004 wurde sie als 10. Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz ausgegeben. Und wieder ist sie: Ein Traum!
Wir erfahren nicht nur grundlegend, was ein „Sportboot“ ist. Nein, auch Wert und Wesen von Wassermotorrad und Antriebsmotor werden erklärt. Es bleiben praktisch keine definitorischen Wünsche offen. Eindringlich wird dem Leser vor Augen geführt, daß ein Boot stets dann „unvollständig“ ist, wenn wesentliche Teile, die zu seinem Betrieb notwendig sind, fehlen. Leider wird nicht klargestellt, daß es umgekehrt durchaus auch Dinge gibt, die explizit fehlen müssen, um den Betrieb des Bootes zu ermöglichen. Zu denken ist hier selbstverständlich an ein Loch im Rumpf. Doch es wird sicher noch hinreichend Gelegenheit bestehen, diese Gesetzeslücke zu schließen.
Indem die Verordnung zum französischen Nationalfeiertag veröffentlicht wurde, hat der Verordnungsgeber gleichermaßen dezent wie kraftvoll einen tiefen europäischen Charakter dieses Regelwerkes manifestiert. Und tatsächlich: Die Verordnung setzt eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates in nationales Recht um. Es wird also fürderhin in keinem dem Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mehr Unsicherheiten darüber geben können, was ein nach dem Zweitakt- oder Viertaktprinzip arbeitender Innenbordmotor ist. Gerde dies ist bekanntlich besonders wichtig für die Eigner von Zweitakt-Fremdzündungsmotoren. Denn diese dürfen nur noch innerhalb einer Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2006 in den Verkehr gebracht werden.
Nun war und ist kein Geheimnis, daß interkulturelle Mißverständnisse in der Geschichte häufig zu zwischenstaatlichen Konflikten geführt haben. Der Gesetzgeber hat diese Gefahr gesehen. Er ist ihr begegnet. Wenn also in dem zusammenwachsenden Europa etwa ein venezianischer Gondoliere den immer kürzer werdenden Weg über die Alpen nach – beispielsweise – Bayreuth finden sollte, so muß er keine Repressalien fürchten: Die Verordnung gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für seine Gondel. Wichtig ist alleine, daß das, was er als seine Gondel ansieht, auch nach den Definitionen des Gesetzes eine „Gondel“ ist. Er könnte sogar mit einem Kanu oder einem Kajak anreisen. All diese Wasserfahrzeuge sind – ganz unbürokratisch – von der Verordnung ausgenommen.
Trotz aller Freunde über die Leichtigkeiten dieser Sportboot-Gesetzgebung sind allerdings auch klare Worte der Warnung und Mahnung geboten: Wer seiner aufblasbaren Badehilfe etwa eine Vorrichtung für die Beseglung beifügt, der hat vor dem Wassergang unbedingt die nötige CE-Kennzeichnung und eine Kennnummer der zugelassenen Stelle aufzubringen. Andernfalls verläßt er definitiv den Rahmen des Erlaubten. Wird anstelle der Beseglung ein Außenbordmotor montiert, müssen dessen Geräusch- und Abgasemissionen zugleich den Sicherheitsanforderungen der Richtlinie entsprechen.
Bei aller Begeisterung für derartige legislative Feinarbeit darf indes eines nie aus dem Blick geraten: Die Bestimmung der meisten dieser Wasserfahrzeuge ist einheitlich, es geht um „Sport- und Freizeit-Zwecke“. Ein bißchen Freude an Gesetzeslektüre in der Freizeit wird also vorausgesetzt. Wer die nicht entwickelt, dem geht eher der Spaß, als das eigene Boot baden. Und unser Godoliere in Bayreuth könnte auf den Gedanken kommen, anstelle einer Konformitätsprüfung mit seiner Godel lieber rasch die „Götterdämmerung“ auf dem Grünen Hügel zu hören. Denn das dauert nicht so lange.