Eine kleinegeschlechtsunspezifische Groteske
von Carlos A. Gebauer
Die Demographen sind unerbittlich: Deutschlandwird zunehmend älter. Erotik und Sexualität, sagt man,werden damit zu immer knapperen Gütern. Folglich sollte nur eineFrage der Zeit sein, bis die üblichen Verdächtigen auf denGedanken kommen, die auf diesen Gebieten noch verfügbaren Reizeund Schätze der Geschlechter zum Gegenstand staatlicherZuteilung zu machen. Insbesondere wird man naheliegenderweiseerklären, dass die individuelle Zuordnung der beschränktvorhandenen Reserven keinesfalls einem wie auch immer geartetenfreien Spiel der Kräfte überlassen werden darf. Sexualitätist schließlich keine Ware – es sei denn, sie wird vonsozialversicherungspflichtigen und steuerzahlenden Prostituiertenausgeübt, was aber hier wirklich nicht das Thema ist.
Während schon heute die einen von Verabredungzu Verabredung jagen und in unverantwortlichem hormonellenProfitstreben ihre Abenteuerkonten schwindelerregend füllen,müssen die Benachteiligten und Zukurzgekommenen noch vergeblichauf die auch nur einfachste Liebkosung warten. Wie soll diese Lageaber erst bewältigt werden, wenn demnächst nur nochverwitwete Scheidungskinder auf schwer traumatisierte Trennungsopfertreffen, die mit dem anderen Geschlecht wirklich definitiv undendgültig abgeschlossen haben? Solche unbrüderliche undunschwesterliche Ungleichheit kann ein moderner Staat eigentlichnicht länger tatenlos hinnehmen! Was steht bei dieserAusgangssituation zu erwarten?
Der heute herrschende,politikprägende Vulgärmarxismus hat bekanntlich durchgängigdarauf hingewiesen, dass jedwede menschliche „Freiheit“einer besonderen interpretatorischen Deutung bedarf. Bei einerendlich konsequenten Übertragung dieser sozialistischenFreiheitsleere aus dem rein politischen auf den Bereich auch derSexualphilosophie kann sich daher folgerichtig nur eines ergeben:Sexuelle Freiheit bedeutet nicht das individuelle Freisein vonsexuellen Übergriffen anderer, sondern wahrhaftige sexuelleFreiheit ist im wesentlichen das persönliche Freisein vonsexueller Not. Und, Hand auf’s Herz meine Herren, wer hättesich in seinem Leben noch nie über das geärgert, was meinFreund H. regelmäßig in die Worte kleidet: „Diegrößten Idioten kriegen immer die besten Frauen“?Doch – langsam! – es gibt Lösungen.
Wer also trotz emsigen Strebens und eifrigenWerbens an seinem Wohn- oder Arbeitsplatz – infolge vonHässlichkeit, Ungepflegtheit oder sonstiger Inkommunikativität– nicht teilhaben kann an angemessener, notwendiger underforderlicher Sexualität, der könnte zur Durchsetzungseiner legitimen erotischen Partizipationsinteressen dann vielleichtbald auf staatliche Eingriffe setzen dürfen.
So wandelt sich mit der herrschendensozialistisch-marxistischen Philosophie nämlich auch auf diesemGebiet des menschlichen Lebens der Freiheitsgedanke vom reinenAbwehrrecht gegen klebrig-geifernde Hände schon bald zu einerjuristisch einwandfreien Eingriffslegitimation in die intimenBesitz-Sphären der sexuell Vermögenden. Die Pflicht zurDuldung und Durchführung des Geschlechtsverkehrs mitUnattraktiven erstarkt dann endlich zur solidarischen Aktion improletarischen Kollektiv. Die bisherige Geringschätzung derfrustrierten Fortpflanzungsgelüste anderer durch das gezielteVorenthalten von Körperkontakten wird damit ihr jähes Endefinden.
Für Theoretiker auf hohen Abstraktionsebenenist bei alledem besonders eine wesentliche Neujustierung der heutenoch herrschenden mitteleuropäischen Sexualmoral von Bedeutung:Mit den derzeit im mitteleuropäisch-westlichen Kulturkreis nochgeltenden Gesetzen wird bekanntlich die sogenannte sexuelle Identitätdes einzelnen geschützt. Selbst anzügliche Bemerkungen amArbeitsplatz können damit als unerwünschte sexuelleÜbergriffe gewertet und beispielsweise zum Anknüpfungspunktfür fristlose Kündigungen o.ä. gemacht werden.
Ganz offensichtlich handelt es sich hierbei aberum in Wahrheit ganz rückständige, bei genauer Betrachtungwahrscheinlich sogar politisch völlig unkorrekte,spätkapitalistische Restbestände einer bürgerlichenSexualmoral. Denn sie räumt den individuellen Sonderinteressendes einzelnen geschlechtlichen Besitzers und potentiellen erotischenLeistungserbringers den Vorrang vor den gesellschaftlichen Interessenan einer gleichberechtigten und gleichmäßigen Verteilungder vorhandenen Volkskörperlichkeit ein. Damit muß endlichSchluß sein! In einem Staat, der nicht verhindert, dass dieSchönen immer schöner und die Häßlichen immerhässlicher werden, sind die elementaren menschenrechtlichenBelange des ortsüblichen Fortpflanzungsgeschehens greifbar insHintertreffen gelangt. Der Gesetzgeber ist also gefordert. Diegeltenden Gesetzesregeln über zulässiges sexuelles Werbenbedürfen – einschließlich aller Regeln über diesogenannte Belästigung am Arbeitsplatz – dringend einertiefgreifenden Reform. Das liegt so evident auf der Hand, dassdarüber gar nicht weiter gesprochen werden muß.
Konservative Feministinnen hatten ja schontraditionell darauf hingewiesen, dass die patriarchalischenBesitzinteressen eines einzelnen Mannes an dem Köper „seiner“Frau mit den gesamtgesellschaftlichen Interessen an einer erfülltgelebten weiblichen Sexualität nicht vereinbar sind. Hier aberkann nicht auf halbem Wege stehen geblieben werden. Vielmehr wird derüberkommene bürgerliche Restbestand an maskulinen wiefemininen Besitzinteressen im Zuge der gebotenen Gesetzesnovellenebenfalls fortentwickelt werden können und müssen,gleichsam weg von „Mein Bauch gehört mir!“ zu „EureBäuche und Gesäße gehören uns allen!“.
Die Stärkung des Solidargedankens auch undgerade in bezug auf die menschliche Triebhaftigkeit wird dasgesellschaftliche Bewusstsein in dieser anthropologisch so eminentwichtigen Frage maßgeblich von den Individualinteressen aneiner exklusiv gelebten Zweisamkeit zugunsten einer offenenSexualität befreien und damit zu einem insgesamtfortschrittlichen Körperbewusstsein führen. Also: Vorwärtsmit Kommunalbrüsten und Gemeinwirtschaftslenden in eine sexuellgerechte Zukunft!
Bis diese Modernisierung des kollektivenBeischlafrechtes allerdings alle parlamentarischen Laken durchwühlthaben wird, werden wir Männer uns noch überkommen-traditionellerStrategien befleißigen müssen, um – wie es mein FreundH. ausdrückt – schon jetzt und bis auf legislativ weiteres andie richtig guten Frauen heranzukommen. Ich jedenfalls habe meinekleine Lösung gefunden, die Sie, Männer ebenso wie Frauen,einfach nachleben können: Werden sie einfach zum komplettenIdioten!