Arbeitsmarktpolitik mit Handschellen

Carlos A. Gebauer

Ministerialdirektor Hans-Joachim Stähr ist der „oberste Zollbeamte der Republik“. Er arbeitet im Bundesfinanzministerium. Kürzlich stellte er nochmals klar, daß Schwarzarbeit Wirtschaftskriminalität ist. Sie führe zu Milliardenschäden. Wer schwarz arbeite, verhalte sich sozialschädlich. Die Bekämpfung von Schwarzarbeit müsse intensiviert und auf eine ganz neue Grundlage gestellt werden. Im nichtgewerblichen Bereich müssten neue Straftatbestände erfunden, Strafbarkeitslücken geschlossen und Unrechtsbewußtsein geschaffen werden. Strafrechtliche Verurteilungen könnten – so Stähr – „jene sittenbildende Kraft entfalten, die bei der Gesamtheit der Rechtsgenossen die rechtlichen Maßstäbe für das eigene Verhalten setzt“. Zusätzliche Beamte mit besser vernetzen Behörden sollten diesen Kampf aufnehmen. Im Mittelpunkt dieser staatlichen Sittenbildung „werden fiskalische Gesichtspunkte stehen“. Die Erträge der Verfolgungsmaßnahmen kämen der Staatskasse zugute, um die Lohnnebenkosten zu senken. Bürger, die sich heute noch aus Unwissenheit über die gesetzlichen Möglichkeiten legaler Beschäftigung im Haushalt im Unklaren seien, sollten durch staatliche Aufklärungskampagnen wie Postwurfsendungen etc. über legale Leistungsnachfrage unterrichtet werden.

Die dargebrachte Argumentation des Ministerialdirektors muß allerdings erstaunen. Zwar ist die von Stähr beabsichtigte sittliche Bildung der Rechtsgenossen durch das Strafrecht natürlich absolut nicht zu vergleichen mit dem Leitsatz des sowjetischen Straflagers auf den Solowetzkij-Inseln („Mit unserer eisernen Hand werden wir die Menschen zu ihrem Glück zwingen“). Doch jenseits aller ideologischen Meinungsverschiedenheiten sollte Einigkeit herrschen, daß ein Gedankengang stets nur dann überzeugen kann, wenn er nicht geradewegs in eine Sackgasse führt. Genau so aber liegen die Dinge hier. Ein Beispiel mag dies erweisen.

Der Langzeitarbeitslose L. hat finanzielle Not. Die Unterstützung ist knapp. Daher arbeitet er schwarz. Hierbei fällt er auf. Er wird strafrechtlich verurteilt. Weil er zuvor unbescholten war, muß er nicht sogleich in das Gefängnis. Er erhält eine Geldstrafe. Die kann er nicht bezahlen. Um einer Ersatzfreiheitsstrafe zu entgehen, braucht er Geld. Er arbeitet nochmals schwarz. Wieder fällt er auf. Wieder wird er verurteilt. Diesmal muß er umgehend in das Gefängnis. Er sitzt seine Gesamtfreiheitsstrafe aus beiden Verurteilungen ab. Unterkunft und Verpflegung tragen öffentliche Kassen. Entlassen aus der Haft sucht er Arbeit. Er ist aber nicht zu vermitteln. Denn: Er ist vorbestraft. Er bezieht also Sozialhilfe – aus öffentlichen Kassen. Die Hilfe wird weiter gekürzt. Für L. wird es enger. Endlich erhält er doch noch ein Angebot, zu arbeiten. Schwarz. Wieder wird er schwach. Wieder fällt er auf. Wieder kommt er in das Gefängnis. Nun strauchelt seine Seele. Der Gefängnis-Psychologe therapiert. Kurz nach seiner Entlassung attestiert ihm ein niedergelassener Therapeut dauerhafte Arbeitsunfähigkeit. Einige Zeit später klebt er im Rahmen einer Beschäftigungs-Therapie Plakate. Die Bundesregierung klärt millionenschwer auf über die Antragsformulare für Haushaltshilfen bei der Bundesknappschaft. Mehrfache Routine-Kontrollen diverser Hauptzoll-Streifen an seinen Plakatwänden dringen nicht mehr zu ihm vor. Sein Psychiater hat einen therapieresistenten Dämmerzustand attestiert. Er wird also nicht mehr auf der Aufklärungs-Homepage „Zoll-stoppt-Schwarzarbeit.de“ den Haftungsausschluß des Bundesfinanzministeriums lesen können, wonach dieses keine Haftung übernimmt „für den Wortlaut und die Geltung der eingestellten Rechtsvorschriften“.

Freunde, Helfer und Behörden

Carlos A. Gebauer

Felix A. unterschied zwischen freundlichen und unfreundlichen Behörden. Freundliche Behörden beispielsweise waren die Paßstelle, die Kindergeldkasse, die Wohnungsbauförderungsanstalt und das Straßenverkehrsamt mit den Wunschkennzeichen. Unfreundlich dagegen waren der Zoll, das Finanzamt, die Bußgeldstelle und die Gebühreneinzugszentrale.

Mit Interesse hatte er verfolgt, als seine Gemeinde kürzlich sogenannte Bürgerbüros einrichtete. Dort versicherte man ihm, daß die Stadtverwaltung ihn von nun an insgesamt wie einen Kunden behandeln werde. Wenig später war er allerdings gerade deswegen etwas irritiert. Denn er erhielt von seiner bürgernahen Verwaltung wegen Falschparkens in der Innenstadt förmlich einen Bußgeldbescheid zugestellt, zahlbar binnen sieben Tagen. Für den Fall der Nichtzahlung wurde ihm – mit freundlichen Grüßen – eine umgehende, Zwangsvollstreckung in Aussicht gestellt. Ein Kunde, der König wäre, dachte er, würde anders behandelt.

Seit einigen Wochen jedoch zählte Felix A. auch den Bundesfinanzhof zu den unbedingt freundlichen Behörden. Dieses höchste deutsche Gericht in Steuerfragen hatte nämlich eine Entscheidung zugunsten der Steuerzahler gefällt. Irgendein Mitbürger hatte sich mit irgendeinem Finanzamt über irgendeine steuerliche Frage gestritten. Diese Frage war – selbstverständlich – sehr kompliziert. Felix A. hatte das Ganze nicht wirklich verstanden. Aber sein Steuerberater hatte ihm erklärt, daß der dortige Streit auch Bedeutung für seine Steuerschuld haben werde. Das höchste Gericht hatte also für den Bürger und gegen das Finanzamt entschieden. Folglich wähnte sich Felix A. auch für den eigenen Fall im Recht. In Gedanken begann er schon, die gesparten Steuern für andere Dinge auszugeben. Dann aber kam Post von seinem Steuerberater.

In dessen Büro lernte er einige Tage später, was ein „Nichtanwendungserlaß“ ist: Immer wieder streiten sich Bürger mit ihrem Finanzamt bei Gericht über Steuerfragen. Solche Prozesse entscheiden die Finanzgerichte. Gewinnt der Bürger diesen Streit in letzter Instanz bei dem Bundesfinanzhof, dann ärgert sich das Finanzamt. Denn es bekommt von dem Bürger weniger Geld. Ganz besonders ärgerlich ist es aber für das Finanzamt, wenn der siegreiche Bürger auch noch überall herumerzählt, wie der Bundesfinanzhof entschieden hat. Denn alle anderen Steuerzahler berufen sich dann auf dieses Urteil und wollen auch weniger Steuern bezahlen. Immerhin ist der Bundesfinanzhof die höchste Autorität in Steuerfragen. Was der sagt, das gilt. O-der genauer gesagt: Eigentlich gilt es. Denn die Finanzverwaltung kennt einen Trick. Dieser Trick heißt „Nichtanwendungserlaß“ und funktioniert etwa so, wie wenn ein Siebenjähriger abends so tut, als höre er nicht, daß seine Mutter ihn von der Straße nach Hause ruft.

Der Finanzminister erläßt eine Anweisung an alle Finanzämter. In dieser Anweisung sagt er ihnen, sie sollen so tun, als gäbe es die Entscheidung des Bundesfinanzhofes nicht. Will sich ein Bürger also darauf berufen, daß auch er weniger Steuern zahlen müßte, dann gilt: Soll er doch klagen! Das Urteil des Bundesfinanzhofes wird von dem Finanzamt einfach nicht angewendet. Das ist der Trick mit dem Nichtanwendungserlaß.

Auf die Frage von Felix A., was er nun tun müsse, antwortete sein Steuerberater ihm: Sie müssen auch klagen! Zwar seien die Finanzgerichte sehr überlastet und der Prozeß werde einige Jahre dauern. Aber an dessen Ende könnte Felix A. mit einiger Wahrscheinlichkeit den vorläufig vollstreckbar angeforderten und bereits gezahlten Steuerbetrag wieder erstattet erhalten. Auf seinem Weg von dem Steuerberater nach Hause fragte sich Felix A.: Ob das Finanzamt ihn dereinst bei der Steuerrückerstattung als König Kunde bezeichnen werde? Er war gespannt.

Karstadt, Ver.di und Schröder

von Carlos A. Gebauer

Indem ich diese Zeilen schreibe, bangen tausende Mitarbeiter der Firma Karstadt-Quelle um ihren Arbeitsplatz. Denn Ihr Arbeitgeber ist – vorsichtig gesprochen – in finanziellen Schwierigkeiten. Das alleine wäre sicher für sich gesehen eine Nachricht wert, nicht aber schon einen weiteren Kommentar. Denn daß Unternehmen in Deutschland in Insolvenz fallen, hat inzwischen – traurig genug – gleichsam schon folkloristischen Charakter.

Das Drama um den Niedergang von Karstadt weist jedoch weitere, ganz besondere Noten auf. Zum einen wird in der Öffentlichkeit berichtet, daß die Dienstleistungsgewerkschaft „Ver.di“ gemeinsam mit dem Betriebsrat des Unternehmens schwerste Vorwürfe gegen das Management der Firma erhebt. Zum anderen erheben sich anschwellend sowohl Rufe wie auch Angebote, der Staat müsse die Rettung Karstadts zu seiner Sache machen.

Auch diese weiteren Gesichtspunkte der aufkeimenden öffentlichen Debatte wären – in guter bundesrepublikanischer Tradition – kaum der Rede wert, wenn nicht der Zeitpunkt des Debattenbeginns ein besonderer wäre. Zeitgleich mit dem Ruf nach dem rettenden Staat werden nämlich auch noch ganz andere Zahlen bekannt. Diese besagen, daß der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahr wahrscheinlich mit dem fantastischen Negativrekord von 44 Milliarden Euro abschließen dürfte. Anders gesagt: Alleine der Bund gibt also im laufenden Jahr aller Voraussicht nach 44 Milliarden Euro mehr aus, als er einnimmt. Dieser Betrag wird sich nach allem hinter der Zeile finden, die die erforderliche „Nettoneuverschuldung“ des Bundes für dieses Jahr ausweist.

Wer – wie ich – einfachen Gemütes ist, mag dazu neigen, Vergleiche zu seinem eigenen Erleben zu ziehen: Wenn ich Jahr für Jahr meine Rechnungen nur deshalb noch bezahlen kann, weil ich mir von der Bank immer neues Geld leihe, dann habe ich augenscheinlich ein dauernd wachsendes Problem.

Nun gibt es also Stimmen, die sinngemäß ebenso fordern wie anbieten, der Staat möge die Schulden der Firma Karstadt übernehmen, damit die dortigen Arbeitsplätze „gerettet“ würden. In der Sache heißt dies nicht anderes als: Es möge Geld von einem überzogenen Konto auf ein anderes überzogenes Konto umgebucht werden. Mit der makaberen Konsequenz, daß die Mitarbeiter auf den „geretteten“ Arbeitsplätzen anschließend durch ihre erhöhten Steuern die angestiegenen Staatsschulden bedienen.

Wer, mag man fragen, hält solcherlei Form der Arbeitsplatzrettung für klug? Die Antwort ist nahe: Neben Politikern unterschiedlichster Couleur muß namentlich die Dienstleistungsgewerkschaft „Ver.di“ in dieser Strategie Sinn sehen, sonst würde sie sie nicht fordern. Wer aber ist „Ver.di“? Ist dies nicht die Gewerkschaft, die im Jahre 2003 selbst mit einem operativen Verlust von 59 Millionen Euro ihre Geschäfte abgeschlossen hat? Mit anderen Worten: Hat nicht auch „Ver.di“ im vergangenen Jahr schlicht mehr Geld ausgegeben, als eingenommen?

Im Ergebnis sehen wir also in diesen Tagen die Konferenzen dreier Fast-Pleitiers, die einander die Welt der Finanzen erklären. Wer sich an das Waldsterben und die Umwelt-Debatten der 1980er Jahre mit ihren kernigen Sprüchen erinnert, könnte durchaus formulieren: Wir behandeln unsere Volkswirtschaft so, als hätten wir noch eine zweite im Kofferraum. Und er könnte fragen: Erscheint auch dieses mal wieder ein Holzmann im Wald?

Fiskalische Nächstenliebe

Carlos A. Gebauer

Steuern zahlen zu müssen, ist ärgerlich. Noch ärgerlicher ist, selbst Steuern bezahlen zu müssen, während man andere kennt, die keine Steuern zahlen. Wie aber mag sich erst einer fühlen, der Steuern nur deswegen zahlt, weil ein anderer genau diese Steuer nicht bezahlt? Man glaube nicht, das wäre unmöglich. Im deutschen Steuerrecht ist alles möglich. Alles. Wirklich: Alles.

Der Hauseigentümer B hatte sich schon lange über seine Terrasse geärgert. Sie war schief, feucht und unansehnlich. Eines Tages hatte B genug gespart und wandte sich an den Bauunternehmer U. Schon nach einer ersten Besichtigung wurden B und U handelseinig. U versprach, die Terrasse zu richten. Sie sollte trocken gelegt, eingeebnet und mit einem hübschen Dachvorsprung versehen werden. Gegen alle Befürchtungen von B begannen die Arbeiten zügig, wurden rasch durchgeführt und schon nach wenigen Wochen saß B in seinem neu hergerichteten Garten. Glücklich. Die Rechnung von U über immerhin 16.000,– EURO überwies B nur wenige Tage später. Dies schien ihm nur recht und billig, denn schließlich hatte auch U seine Leistungen unverzüglich und gut erbracht. Alles schien gerichtet.

Aber einige Monate später kam Besuch. Der Finanzbeamte F stand bei B vor der Tür und begehrte zweierlei: Erstens Einlaß und zweitens 2.400,– EURO. B hatte nämlich einen Fehler gemacht. Er hätte dem zwischenzeitlich insolventen und ausgewanderten U nicht ohne weiteres 16.000,– EURO bezahlen dürfen. Das war rechtswidrig. So jedenfalls sagen die Paragraphen 48 bis 48d des Einkommensteuergesetzes in ihrer Fassung nach dem Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe. Mit anderen Worten: Hätte B die Änderungen des Einkommensteuergesetzes durch ständige Lektüre des Bundesgesetzblattes gelesen, wären die Kosten seiner neuen Terrasse für ihn nicht auf jetzt insgesamt 18.400,– EURO gestiegen.

Was war geschehen? Irgendjemand – wir wissen nicht, wer – muß dem Gesetzgeber verraten haben, daß die generelle Steuerbelastung in Deutschland eher hoch ist. Und irgendjemand – wir wissen nicht, wer – muß auch verraten haben, daß Bauarbeiten deswegen bisweilen „schwarz“ ausgeführt werden. In Reaktion auf diesen ungeheuerlichen Vorgang war der Gesetzgeber also geradezu gezwungen, zu handeln. Zu seinem Bedauern war es angesichts der knappen Personaldecken in den Finanzämtern nicht möglich, jeden deutschen Bauarbeiter täglich und ganztägig von einem Beamten begleiten zu lassen. Also verdoppelte der Gesetzgeber einfach seine Steuerpflichtigen, indem er den Bauherrn B neben dem Unternehmer U verpflichtete, auch dessen Steuern mit zu bezahlen. Der B hätte dem U selbst richtiger Weise nur 85% seiner Rechnung bezahlen dürfen. Wegen der restlichen 2.400,– EURO war der B – wie jeder Bauherr – verpflichtet, das zuständige Finanzamt des Bauunternehmers zu ermitteln, bis zum 10. Tag des Folgemonats nach Bezahlung eine Steueranmeldung auf dem richtigen Formular vorzunehmen und den Restbetrag auf das Konto des Finanzamtes unter Angabe der Steuernummer des U zu zahlen. So einfach geht das. Über das Internet kann sogar jeder das nach der Umsatzsteuer-Zuständigkeitverordnung ausnahmsweise zuständige Finanzamt ermitteln, wenn sein U ein Ausländer sein sollte. Alles ist geregelt.

Wenn B demnächst seinen Dachstuhl renoviert, wird er gewiefter vorgehen. Denn jetzt weiß er: Entweder, er besteht auf Vorlage einer amtlichen Freistellungsbescheinigung des Handwerkers oder er vermietet den Dachstuhl zuvor an einen Freund. Dann schützt ihn das Kleinvermieterprivileg vor der Haftung für fremde Steuern. Nie aber wird er F verraten, daß der ihm vielleicht sogar 2.784,– EURO hätte abverlangen können. Aber alles muß man auch nicht sagen. Nicht alles. Wirklich: Nicht alles.

Befreundete Ehepaare

von Carlos A. Gebauer

Der technische Bundesbahnsekretär Götz-Hagen R. ist ein Pechvogel. Während er seinem Bruder half, Eier aus dem elterlichen Hühnerstall in Kartons zu verpacken, klingelte sein Funktelefon. Er legte die letzten Eier beiseite und meldete sich. Das war rechtswidrig. Denn nach der EWG-Verordnung des Europäischen Rates Nr. 1907/90 in der Fassung vom 17. November 2003 muß man „alle Eier eines Behältnisses ohne Unterbrechung sortieren oder verpacken“.

Götz-Hagen R. hatte also Anlaß, jenes Telefonat zu verbergen. Da er seine berufliche Laufbahn ändern und Betriebsaufseher werden wollte, lag ihm an einem tadellosen Lebenslauf. Mit einem nur „eingeschränkten horizontalen Wechsel des Funktionsbereiches innerhalb der Laufbahn“ war er nicht zufrieden. Nur der aber wäre noch möglich, wenn ihm der volle Laufbahnwechsel verschlossen bliebe, sagt die Eisenbahn-Laufbahnverordnung.

Doch es kam anders. In Sichtweite arbeitete sein Kegelbruder Jens F. an Bienenständen. Wie man weiß, müssen Gegenstände, die zur Honigerzeugung benutzt werden, nach Gebrauch mindestens 20 Minuten einer Temperatur von 230° C ausgesetzt werden. Jens F. aber hatte es eilig. Er erhitzte seine Schöpfkellen in dem Betriebsraum nur 15 Minuten. Das war ein Verstoß gegen die Bienenseuchenverordnung. Als Jens F. das Bienenvolk verließ, traf er auf Götz-Hagen R. und befürchtete, ebenfalls von ihm beobachtet worden zu sein. Unter seinem schlechten Gewissen glaubte er im Angriff die beste Verteidigung und sagte: Ich werde von Deinem Telefonat im Hühnerstall berichten, wenn Du von meinem Bienendelikt erzählst! So wurden beide gleichsam Brüder im Rechtsverstoß. Und meist schmiedet nichts Menschen mehr zusammen, als das Wissen um die Leichen im Keller des anderen.

Aber es kam anders. Denn sie hatten die Rechnung ohne ihre Frauen gemacht. Frau R. wollte nicht, daß ihr Mann Betriebsaufseher würde. Sie war nämlich schwanger und freute sich, demnächst bei der Arbeit keine Geräte mehr „mit hoher Fußbeanspruchung“ bedienen zu müssen. Diese Aussicht eröffnete ihr – bestimmt nicht ohne guten Grund, wie sie überzeugt war – die Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen. Da die Dienstzeiten für Betriebsaufseher andere waren, als die für Sekretäre, fürchtete sie, nachts alleine mit einer Fußleiter das eheliche Hochbett erklimmen zu müssen. Genau davor hatte sie Angst. So verfiel sie auf eine List: Sie versprach der Frau von Jens F., zu vergessen, daß diese die saugfähigen Bodenauflagen am Ausgang ihres Fasanen-Stalles bei der letzten Geflügelseuche nicht durchgängig mit Desinfektionsmittel feucht gehalten hatte. Dieser Verstoß gegen die Geflügelpest-Verordung würde nur ungesühnt bleiben können, wenn Jens F. seinen Widersacher auffliegen ließe. Und so geschah es.

In seinem Sekretariat dachte Götz-Hagen R.: Gesetze haben Nebenwirkungen, vor denen keine Packungsbeilage schützt.

« Newer PostsOlder Posts »
Druckversion
Impressum | Datenschutz