morbus adac

von Carlos A. Gebauer

Viele Krankheiten werden als „morbus …“ bezeichnet. Die älteren Hypochonder unter uns werden sich auf ewig in großer Zärtlichkeit an die ZDF-Sendung „Gesundheitsmagazin Praxis“ erinnern. Ein Moderator namens Hans Mohl präsentierte jeweils eine bestimmte Erkrankung, wies auf Gefahren hin und belehrte über Therapiemöglichkeiten. Die Ärzte des Landes wußten nach einiger Zeit: Am je nächsten Tage nach der Sendung erschienen bei ihnen massenweise Patienten mit genau der von Herrn Mohl am Vorabend beschriebenen Verdachtsdiagnose. Kenner tauften das sich stets wandelnde Krankheitsbild bald vereinfachend auf den Namen: „morbus mohl“.

Die Besonderheit jenes „morbus mohl“ war, daß er nicht den individuellen Körper einzelner Menschen befiel. Statt dessen handelte es sich um ein Phänomen, das die geistig-seelische Befindlichkeit gleich ganzer Bevölkerungsgruppen betraf. Und als solches war der „morbus mohl“ geradezu eine Art massenpsychologische Erscheinung.

Derartige Sozialmorbi haben das Ende der Sendungen von Hans Mohl überlebt. Wir beobachten heute lediglich auch anderweitige Formen solch kollektiver Befindlichkeits-Dramen. Aus der Vielzahl möglicher Beispiele fasziniert besonders der äußerst verbreitete „morbus adac“.

Der „morbus adac“ ist benannt nach seiner wohl augenfälligsten Erscheinungsform. Am klarsten tritt er nämlich zutage im Straßenverkehr. Als Namensgeber fungiert der allseits bekannte Automobilclub ADAC. Worum geht es?

Jeder deutsche Autofahrer kennt die Situation: Mitten in der Nacht bei strömendem Regen steht eine einsame Person im Scheinwerferkegel ihres fahruntüchtigen Pkw und blickt unter einem zerzausten Regenschirm hilflos in den geöffneten Motorraum. Noch während unsere Augen dieses Bild im rechten unteren Rand des Gesichtsfeldes konturenschwach erkennen – also in einem Zeitraum von näherungsweise 600 Millisekunden – reagieren Gewissen und Gasfuß entscheidungsfroh einheitlich. Wir fahren weiter und denken: Gleich kommt sowieso der ADAC und hilft. Viel kompetenter, als ich es je könnte.

Ob der ADAC jemals tatsächlich kommt – wir erfahren es nie. Aber wir spüren die Gewißheit, daß dieses Schicksal unseres Mitmenschen doch jedenfalls irgendwie geregelt ist und seine Probleme gelöst werden. Von einem anderen. Und genau wie auf der nächtlichen Straße, so verläßt sich auch im totalnormierten Sozialstaat ein jeder immer darauf, daß alles von einem irgendwie Zuständigen zuletzt geregelt wird. Die Probleme des Verbrechensopfers von der Polizei. Die Leiden des Schwerverletzten von dem Notarzt. Die Nöte des Arbeitslosen von der Arbeitsverwaltung und die Ängste des Nachbarn von einem Therapeuten. Auf Kosten der Krankenkasse.

So hat der „morbus adac“ uns alle eines Tages befallen. Und je mehr andere alles zu regeln und zu erledigen versprechen, und je mehr „wir Geld in das System pumpen“, wie man es nennt, desto mehr halten wir uns für freigekauft von dem schlechten Gewissen, weitergefahren zu sein. Mehr noch: Jeden Gewissensbiß therapieren wir flugs mit immer wieder neu geschaffenen Zuständigkeiten. So trinkt das Sozialsystem täglich Salzwasser gegen seinen Durst. Bis es austrocknet. Denn wer Nächstenliebe institutionalisiert, der tötet sie.

Uhren sind Wolken sind Hoffnung

Carlos A. Gebauer

Anfang August passieren oft schlimme Dinge. Der Erste Weltkrieg brach aus, Enola Gay verlor little boy, Marilyn Monroe schied aus dem Leben. Und in diesem Jahr tauchte „Die Zeit“ die ganze bundesrepublikanische Landkarte auf ihrem Titelblatt in satte, triefende, blutrote Farbe: „Deutschland rückt nach links“.

Die zum Titel gelieferten Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zeichnen in der Tat ein bemerkenswertes Bild. Satte Mehrheiten unseres Volkes wünschten demnach einen „Mindestlohn“, Bahn, Post und Gaswerke sollen lieber in Staatsunternehmen geführt werden und sogar die Machtpositionen der Gewerkschaften dürften demnach eher noch größer werden, als sich endlich gesund zu schrumpfen.

Was ist nur los in Deutschland? Thomas E. Schmidt liefert in derselben „Zeit“ eine beachtenswerte Analyse. Denn Schmidt beschreibt das Erfolgsrezept der nun für Gesamtdeutschland wiedererwachten SED. Der weggefegte Eiserne Vorhang hat dem homo bundesrepublikanus seine heimelige, nestwarme Illusion der ewigen Wohlstandsbehaglichkeit hinfortgespült. Die Rundumglücklichpakete der Vollkaskogesellschaft mit ihren risikolos planbaren Existenzen und Karrieren lassen sich nicht mehr schnüren. Dennoch – oder besser: gerade deswegen – wünschen die Sozialstaatsjunkies auf Entzug eine Politik, die den Affen wieder vertreibt. Den gewesenen Schröders & Fischers, die alternativlos den ersten leisen Systemumbau wagen mußten, unterstellen die Neuen Hohepriester des Gesamtpräkariats daher nun eine Reparatur ohne Not. Und also beschreiben sie den Weg der infantilen Sozialuntertanen zurück in den Mutterschoß als mögliche Option. Mit dieser regredierenden Abkapselungsverheißung back to the uterus fangen sie in einer ungemütlich empfundenen globalen Welt die Sympathien des Statistikdeutschen. Daß diese Präkambriumpolitik mit ihrer Voodoo-Ökonomik wirkliche Lösungen nicht bringt, sondern sich in metaphysischen Traumzeichnungen verliert, steht dem Erfolg ihrer Sirenenrufe nicht entgegen. Im Gegenteil. Auf den Punkt trifft Schmidt: „An diesen vorvernünftigen Sehnsüchten politisch anzusetzen ist wahrhaft raffiniert, denn sie beziehen ihre Energie ja aus ihrer Unerfüllbarkeit. Sie mit realen Globalisierungsängsten kurzzuschließen ist höhere politische Kunstfertigkeit“.

Ist es um Deutschland also wieder einmal geschehen? Nicht unbedingt. Denn Uhren sind Wolken sind Hoffnung. Oder, anders gesagt: Unser Land muß nicht in jedem Falle das Schicksal des brasilianischen Ausflugdampfers teilen, der seine Gäste zum sight-seeing an den Traumküsten des Landes von einer Sehenswürdigkeit zur anderen schiffte. Als der Kapitän unbedachtsam nah einen Nacktbadestrand passierte, hatten die Schicksalsgötter entschieden. Von evolutionsgenetischer Magie geführt, stürmten alle Bordgäste nach backbord, unbeeindruckt von den warnenden, um Einsicht bettelnden Lautsprecherdurchsagen der verzweifelten Crew. Schlagseite, Kentern und Ende des Ausfluges waren eins.

Was also haben Uhren und Wolken und Hoffnung mit der drohenden Seenot unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gemein? Nun, zum einen nichts, zum anderen alles. Aber langsam. Betrachten wir zuerst noch den sozialwissenschaftlich tomographierten homo semi-erectus, wie er uns zwischen Berchtesgaden und Westerland, zwischen Görlitz und Nettetal begegnet. Eingezäunt im Stabilitätenquadrat wähnt er sich gewappnet gegen jedwede Krise. Die fiktionsgleiche Ferne und Abstraktheit seines Zentralbanksystems beispielsweise wiegt ihn, politisch kunstfertig, kinderbettgleich durch alle Krisen. Die „Rheinische Post“ brauchte demnach passgenau kundenorietiert der spontanen Werdung von € 95.000.000.000 Scheingeld am 10. August nur sechs Zeilen zu widmen – immerhin halb so viel wie einer Wohltätigkeitsrallye von mit Pommes-Frites-Fett betriebenen Autos. Mehr noch, der Leitartikler schwärmte: „Gestern sorgte erst einmal die europäische Notenbank für Beruhigung. Die gigantische Geldspritze von fast 100 Milliarden Euro schaffte sofort klare Verhältnisse, der Geldmarkt war wieder im Lot“. Interessant an dieser Aussage ist weniger ihr Gehalt, als vielmehr ihr Zeitpunkt. Denn zeitgleich mit dem Andruck der Zeitung wälzte der währungspolitische Ausflugsdampfer EZB gleich die nächsten € 61.000.000.000 fiat money in das monetäre Wolkenkuckucksheim. Ob es eine höhere Macht so eingerichtet hat, daß ein semi-erectus im Krisenfall gleich katastrophengünstig den Kopf eingezogen hat, um gegen herabstürzende Träume gefeit zu sein?

Warum sollte er sich auch gerade halten? Erstens hat er – wenn es die Politik nur endlich gegen die obwaltenden fiesen Widerstände durchprügelt! – mindestlohngeschützt sowieso mit Bankenkrisen nichts am Hut. Zweitens bringt ihn die Staatsbahn zu immer stabilen Preisen steuersubventioniert auch an seinen noch so abseits gewählten Wohnort im strukturschwachen aber grundstückspreisegünstigen Zonenrandgebiet. Drittens kann ihn eine Staatspost zur Not sicher auch als Paket zur Arbeit befördern, wenn die Lokführergewerkschaft politstimmungskonform alle Gleise leerstehen läßt. Und schalkenullviertens kann ein privater Gashändler die Russen kaum so nachdrücklich zum Liefern veranlassen, wie Angela M. Wo genügend politischer Wille aufgebracht wird, da gilt bekanntlich: Primat der Politik schlägt Primat der Faktizität, schlägt Primat der Logik, schlägt Primat der Humanität. Beistandspakte brauchen feste politische Willensbildungen, nicht nur 1914. Wenn es dem Bürger zuviel wird, kann er sich ja beruhigen. Wie weiland Marilyn, vielleicht sogar auf Rezept. Hiroshima war schließlich im wesentlichen auch nur aus Gründen der Experimentalphysik besonders für gewisse Sprengversuche geeignet, Anfang August 1945. Die wiederum hatten gute politische Gründe für sich. Nur Spinner, heißt es, seien zimperlich.

Aber noch bleibt uns dies: Uhren sind Wolken sind Hoffnung. Bekanntlich wurde das intellektuelle Präkariat unseres Kulturkreises nicht seit jeher nur von habilitierten Bildungskatastrophen in die Irre geleitet. Unter den Berühmten waren auch Weise und Kluge. Einer der Größten hörte auf den Namen Karl Popper. Und aus seiner Feder erwächst uns Hoffnung. Nicht nur die sprachphilosophische Erotik des inhaltslosen Begriffes vom „Linkssein“ konnte er messerscharf entzaubern. Vor allem gegen den metaphysischen Gesamtdeterminismus des sozialistischen Historizismus setzte Popper auf das unvorhersagbare Individuum mit seiner ganzen Einzigartigkeit und Kreativität. Ließen sich nämlich restlos sämtliche Ereignisse unserer Welt – nach Kenntnis aller Regeln – vorhersagen, dann wären, sagte er, auch Wolken letztlich nichts anderes als Uhren. Doch Wolken seien Paradebeispiele für physikalischen Indeterminismus. Mehr noch: Auch Uhren selbst sind umgekehrt nur Zusammenballungen von Elementarteilchen, die bei genauester Betrachtung gerade nicht letztverbindlich voraussagbar funktionieren. Daher sind Wolken keine Uhren, sondern Uhren sind Wolken. Daher läßt sich der Lauf unserer kleinen Bundesrepublik auch nicht sozialempirisch determinieren. Jeder Tag ist also eine neue Chance für jeden Menschen, dem parareligiösen Glauben an das linksstaatlich gesteuerte Gesamtglück entgegenzutreten. Wann also sammeln sich die kreativen Individualisten an Bord beim Steuer, um dem Kentern zu begegnen?

Konsul Seehofer, Pjöngjang

von Carlos A. Gebauer

Neulich nachts im Traum hörte ich eine Stimme. Sie sprach: Der Gesundheitsexperte der CSU, Horst Seehofer, fordert die Einführung einer Bürgerversicherung. Dann, noch immer halb schlafend, hörte ich weitere Stimmen, die über seine Vorschläge diskutierten.

Was mich aus dem Schlaf hochfahren ließ, waren nicht die Ideen Horst Seehofers selbst. Ihm traue ich nämlich inzwischen die Behauptung zu, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten. Beunruhigend war, daß seine Zuhörer ihn durchgängig als „Gesundheitsexperten“ bezeichneten. Wer aber, fragte ich mich, ist wirklich ein „Gesundheitsexperte“? Der ehemalige Verwaltungsangestellte des Landratsamtes Ingolstadt? Oder vielleicht – ein Arzt?

Aber auch dann, wenn man Herrn Seehofer richtigerweise als Politiker im Bereich des Gesundheitswesens bezeichnet, wird sein derzeitiges Eintreten für eine „Bürgerversicherung“ nicht weniger problematisch. Denn gerade als Verwaltungsexperte müßte er die seit Jahrzehnten tagtäglich erwiesene Unmöglichkeit erkannt haben, die Gesundheit eines Volkes effektiv behördlich mit Krankenkassen verwalten zu können. Selten ist dies klarer beschrieben worden, als in einem soeben veröffentlichten Urteil des Bundessozialgerichtes (Az.: B 3 KR 18/03 R). Hier lesen wir nun höchstrichterlich bestätigt folgendes:

Besteht zwischen einer Krankenkasse und einem Krankenhaus Streit darüber, ob der versicherte Patient tatsächlich stationärer Hilfe bedarf, muß die Kasse sofort umfänglich tätig werden. Sie muß (noch während der Patient vielleicht schmerzgebeugt auf Hilfe wartet) mit ihren Sozialversicherungsfachangestellten und ihrem Medizinischen Dienst im einzelnen konkret darlegen und nachweisen, warum, wo und wann genau eine ambulante Behandlung dieselbe Aussicht auf Heilungserfolg bietet. Ihre Auffassung muß sie dem Krankenhaus und ihrem Versicherten mitteilen. Der Patient hat hierzu ein gesetzlich verbrieftes Anhörungsrecht. Bleibt die Kasse bei ihrem Standpunkt, hat sie ihrem Versicherten einen förmlichen Ablehnungsbescheid zuzustellen. Mit Rechtsbehelfsbelehrung. Und mit der Möglichkeit, binnen eines Monats Widerspruch gegen diese Ablehnung einzulegen. Kommt es auch dann zu keiner Einigung, muß das Sozialgericht entscheiden. Klagefrist: Ein weiterer Monat. Sollte sich ein menschenfreundlicher Sozialrichter schließlich ein bürgernahes Herz fassen und unbürokratisch entscheiden, dann hat der Patient vielleicht schon keine Schmerzen mehr.

So und nicht anders stellt sich die Lage in der gesetzlichen Krankenversicherung aktuell dar. Und diese Situation möchte Herr Seehofer nicht beseitigen. Sondern er möchte sie unter dem Titel „Bürgerversicherung“ auf weitere Bevölkerungskreise – übrigens auch auf Sozialrichter – ausdehnen. Redet so ein „Experte“?

Mich regt all dies viel zu sehr auf. Vielleicht sollte ich mich wegen der nächtlichen Stimmen auch einmal selbst zeitnah in kompetente ärztliche Behandlung begeben. Oder endlich einmal in Ruhe die Bedienungsanleitung zur Zeitschaltung meines Radioweckers lesen, damit ich – wenn es soweit ist – nicht mitten in der Nacht, sondern erst morgens die ersehnte Nachricht höre: Horst Seehofer ist dem Beispiel des vormaligen Sozialexperten Rudolf Drechsler und der Anregung Konrad Adams gefolgt und hat das Amt eines Konsuls übernommen. In Pjöngjang/Nordkorea.

Mehr Gesundheit durch weniger Grundgesetz?

Wie unsere Verfassung im Sozialrecht erodiert

Carlos A. Gebauer

Politiker haben es nicht leicht. Ihre Arbeit steht zunehmend in der Kritik. Doch sind manche Vorwürfe durchaus nicht gerecht. Denn immerhin muß man Parlamentariern zugestehen: Ihre Arbeit ist alles andere als einfach. Wer gleichzeitig so gewichtige Probleme wie den Hunger in der Welt, die Filmförderung, den Terror in Afghanistan, die Bundesgartenschau, die chemische Struktur der Erdatmosphäre, das Körperfett seiner Bürger und deren Zigarettenkonsum, die Informationsansprüche über den Inhalt von Tiernahrung, die Überwachung privater Kontenbewegungen, das ethisch vertretbare Abschießen von Passagierflugzeugen und die europarechtlich einwandfreie Gleichstellung behinderter Frauen mit männlichen Migranten im Blick haben muß, der ist als gewissenhafter Mensch ohne Zweifel voll gefordert. So sollte man also anerkennen, wenn Verantwortliche eigens ihre persönliche Berufsausbildung abgebrochen haben, um sich selbstlos der Bewältigung dieser Aufgaben zu stellen.

Nicht anzuerkennen ist allerdings, wenn diese Entscheider bei ihrem vielfältigen Tun eines aus dem Blick verlieren: Unser Grundgesetz. Immerhin hat es uns über alle weltanschauliche Grenzen hinweg über Jahrzehnte wertvolle Dienste geleistet. Wenn seine Regeln im alltäglichen politischen Reformgeschäft verletzt oder gar ignoriert werden, dann muß die bürgerliche Nachsicht mit ideologisch projektverliebten Politiken ihr Ende finden. Dann ist Kritik gegen die allfälligen buchungstechnischen Abrechnungsgemetzel gefragt. Substantiiert und lautstark.

Das deutsche Sozialversicherungsrecht kollidiert inzwischen mit einer solchen Vielzahl von Verfassungsprinzipien, dass aus juristischer Sicht nachhaltigster Protest indiziert ist. Der Protest ist aus wenigstens zwei Gründen überfällig. Zum einen beherrschen bislang Protagonisten die Debatte, die das bestehende System noch intensivieren wollen, statt es tatsächlich zu modifizieren. Zum anderen imponiert bei den Verfechtern dieser populistischen Reformvariante regelmäßig die völlige Abwesenheit jeder verfassungsrechtlichen Kompetenz. Für den juristischen Beobachter will scheinen, als sei der gesundheitspolitische mainstream von der Überzeugung geleitet, die Volksgesundheit lasse sich effektiv nur gegen die Verfassung, nicht aber mit den Regeln des Grundgesetzes absichern. Genau das aber ist – trotz der wenig bekannten Identitäten zwischen § 1 SGB I und der DDR-Verfassung von 1949 – gesundheitssystematisch absurd und rechtspolitisch gefährlich.

Ein durchaus kennzeichnendes Beispiel für die Kollision des Sozialrechtes mit unserer Verfassung liefert der Gemeinsame Bundesausschuss. Bei nüchterner juristischer Betrachtung kommt man kaum umhin, ihn als rechtsdogmatisches Monstrum zu bezeichnen. Warum ist das so?

Kenner wissen: Der Gemeinsame Bundesausschuss legt den Umfang medizinischer Leistungen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung normativ verbindlich fest. Das bedeutet: Medizinische Maßnahmen dürfen nur dann zu Lasten des Versicherers durchgeführt werden, wenn der Ausschuss dies zuvor erlaubt hat. Der von diesen Maßnahmen persönlich betroffene Patient hat aber weder auf dessen Zusammensetzung, noch auf seine Entscheidungen irgendeinen Einfluß. Der zwangsversicherte Bürger muß die Vorentscheidung über seine Gesundheitsversorgung statt dessen praktisch wehrlos hinnehmen. Seine Einflussmöglichkeiten über Bundestags- oder Sozialwahlen auf dieses Gremium sind dermaßen homöopathisch verdünnt, dass sie faktisch irrelevant bleiben.

Der Ausschuss ist also demokratisch nicht legitimiert. Das aber ist mit der grundgesetzlichen Regel unvereinbar, dass alle Staatsgewalt vom Volke auszugehen habe. In der juristischen Fachliteratur erhebt sich daher bereits der Vorwurf, seine Machtfülle assoziiere absolutistische Strukturen.

Doch die Existenz eines solchen Ausschusses verletzt nicht nur unser Demokratieprinzip. Nach ihrem Selbstverständnis ist die Bundesrepublik Deutschland auch Rechtsstaat. Zum Rechtsstaatsprinzip gehört die Pflicht des Parlamentes, im Bereich bürgerlicher Grundrechte alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Was aber ist unter der Geltung dieser verfassungsrechtlichen Spielregel davon zu halten, wenn der Gesetzgeber in Sachen Gesundheit die Entscheidungshoheit auf einen Rat überträgt? Die Frage stellen heißt, sie mit einem schmetternden „Nichts!“ zu beantworten. Es sei denn, die juristische Differenzierungskunst wiese einen anderen Weg.

Tatsächlich hat das Bundessozialgericht systemstabilisierend ausgeführt, Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses dürften ebenso wie untergesetzliche Rechtsverordnungen gerichtlich geprüft und verworfen werden. Was nun ist damit gemeint?

Zunächst dies: Je komplizierter eine Gesellschaft arbeitsteilig organisiert ist, desto komplizierter – sagt man – müssen auch die Rechtsregeln sein, nach denen diese Gesellschaft handelt. Wenn aber ein Kernforscher, ein Investmentbanker, ein Byzantinist und ein Dermatologe am gemeinsamen Gartenzaun einander schon unmittelbar nichts mehr zu sagen haben, weil sie sich gegenseitig jenseits schmutziger Witze nicht verstehen, wie sollte dann ein Parlament aus Studienabbrechern von sozial-, theater- und literaturwissenschaftlichen Fakultäten sachgerechte Gesetzesregeln für alle formulieren?

Die Eltern des Grundgesetzes haben diese Probleme vorausgeahnt. Sie schufen daher für das Parlament die Möglichkeit, beispielsweise die Bundesregierung zu ermächtigen, das Nähere durch Verordnung zu regeln. Damit würde – so das Kalkül – der gesamte Sachverstand der Fachbeamtenschaften aus den Ministerien zur Schaffung kompetenten Rechtes herangezogen werden können. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht stets gemahnt, dass sich das Parlament nie seiner Verantwortung als gesetzgebender Körperschaft entäußern dürfe.

Das Bundessozialgericht will also analog jener Gedanken die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses möglichst noch rechtsstaatlich retten. Im Ergebnis aber scheitert dieser Versuch. Denn ein Parlament müsste seinem „Beauftragten“ auch mit auf den Weg geben, welche Zwecke die Ermächtigung erfüllen, welches Programm verwirklicht werden und mit welchen Regelungen der Bürger rechnen können soll. Ist der Zweck des Gesundheitssystems vielleicht, dass alle Bürger gleich lang leben? Muss der Ausschuss also ein Programm verwirklichen, durch das den statistisch Längerlebenden Leistungen beschnitten werden, um die statistisch Frühersterbenden lebenserwartungsmathematisch an einen Einheitswert heranzuführen? Mit welchen Regelungen muß hierbei gerechnet werden? An alledem fehlt es bei der Aufgabenbeschreibung für den Gemeinsamen Bundesausschuss völlig. Im Gegenteil. Das Gesetz erteilt ihm sogar noch einen Freifahrtschein für weitere Aufgaben und subunternehmerische Ausgründungen. Mit dem Rechtstaatsprinzip ist all dies nicht zu vereinbaren.

Jüngere Formulierungen des Bundesverfassungsgerichtes lassen kaffeesatzlesend erahnen, dass der Ausschuss seinem näheren Ende entgegensieht. Alleine die Vorstellung, dass seine sämtlichen Entscheidungen der unmittelbaren gerichtlichen Kontrolle entzogen sind, stellt schließlich einen weiteren Verstoß gegen unser Verfassungsrecht dar. Denn mit staatlicher Justizgewährungspflicht ist nicht zu vereinbaren, wenn seine medizinischen Vor-Urteile wie nichtjustitiable Gnadenakte ausgestaltet sind. Der überfällige Tod dieses Gremiums stellt jedoch nicht nur das Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung in Frage. Mit ihm stirbt auch die süße, aber tödliche Illusion von einer segensreichen Ausweitung des bestehenden Systems auf jedermann.

In der Öffentlichkeit wird nämlich eines bislang viel zu wenig diskutiert: Ein gesetzliches Zwangsversicherungssystem im Gesundheitsbereich, das sowohl über das Ob, als auch über das Wie der Versicherung befindet, führt (abgesehen von denen, die sich in einem bizarren Akt der Selbstgefährdung freiwillig dort versichern) unausweichlich zu einer körperlichen Enteignung eines jeden Einzelnen. Denn im gesetzlichen System bestimmen weder der Patient, noch sein Arzt über Art und Umfang der medizinischen Maßnahmen. Alle diesbezüglichen Entscheidungen werden vielmehr politisch und verwaltungstechnisch – derzeit vom Gemeinsamen Bundesausschuss – vorab getroffen.

Im Ergebnis führt dies zu Konstellationen, die sich schlechterdings nicht anders als grotesk bezeichnen lassen. Jeder Arzt kennt die Probleme, die sich aus einer unzureichenden Aufklärung des Patienten über die Risiken eines medizinischen Eingriffes ergeben können. Die Aufklärungspflicht hat nach der Rechtsprechung einen einfachen Grund: Es soll sichergestellt werden, dass keine Maßnahmen ergriffen werden, die nicht vollständig mit dem Patientenwillen übereinstimmen. Wörtlich formuliert das Bundesverfassungsgericht: „Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes gewährleistet das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit als Freiheitsrecht, macht deshalb den ärztlichen Heilversuch vom Willen des Patienten abhängig.“ Wenn aber einerseits der autonome Wille des Patienten über seine Behandlung bestimmen soll, wie kann es dann andererseits mit jenem Grundrecht vereinbar sein, wenn fremdbestimmt behördlich über Therapie oder Nichttherapie entschieden wird?

Schließlich kann auch der üblicherweise zur Legitimation bemühte Schutz von Schwachen das gegebene System weder heute, noch gar in einer etwaigen Ausdehnung rechtfertigen. Denn zuletzt gehört auch das sogenannte Übermaßverbot zum Kernbestand des Rechtsstaates. Es besagt, dass der Staat all seine Ziele, mithin auch den Schutz Schwacher, mit dem je geringstmöglichen Eingriff in alle Grundrechte zu verfolgen hat. Die notwendige medizinische Versorgung der Schwächsten erfordert aber nicht die zwangsweise Versorgung auch der Stärksten mit Medizin zu Lasten der Allgemeinheit. Mehr Gesundheit für alle gibt es daher allenfalls mit dem, nie aber gegen das Grundgesetz. Wer das Gegenteil proklamiert oder die Erosionen des Verfassungsrechtes im Sozialrecht leugnet, der begibt sich auf einen rechtspolitisch riskanten Weg. Staatsbürger sind denkende Wesen, nicht nur gedachte. Wir schulden daher unserer Geschichte, den vielerorts lockenden Versuchungen der Kollektivismen entschieden entgegenzutreten.

Ulla Schmidt und die Nationalelf

oder
Wie man politisch korrekt und sozial gerecht Weltmeister wird

Eine Burleske aus dem medizinischen Strafraum

Deutschland wird 2006 unter Umständen nicht Fußballweltmeister. Experten sehen gewisse Indizien dafür. Alles Jammern und Weinen hilft aber nicht: Der nationale Blick muß sich in die Zukunft richten! 2010 ist schließlich auch noch ein Jahr. Wenn wir es nur richtig wollen, könnte vielleicht schon in vier Jahren der Lederballhimmel über Deutschland wieder im Glanze leuchtender Goldpokale strahlen. Was aber ist zu tun? Könnten die gesundheitspolitischen Erfolgsrezepte der Bundesregierung(en) auf die Nationalelf übertragen werden? Wäre gar sinnvoll, wenn Ulla Schmidt Trainerin der DFB-Auswahl würde?

An der bisherigen Diskussion zur Qualität unserer Mannschaft nämlich erstaunt, daß die Forderung nach einer Verstaatlichung der Nationalelf, wie sie ja im medizinischen Bereich für Ärzte und Krankenhäuser seit über hundert Jahren vorangetrieben wurde, noch nicht erhoben ist. Folglich ist höchste Zeit, diese mögliche Dimension der Qualitätssicherung ernsthaft ins Auge zu fassen. Warum also wird der DFB nicht verstaatlicht, etwa in der Gestalt einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts? Die hieraus entstehenden Entwicklungspotentiale wären enorm.

So könnten beispielsweise unsere Torhüter sehr viel engagierter – und damit auch für sich persönlich vorteilhafter – in den Zweikampf gegnerischer Stürmer grätschen, wenn sie wüßten: Als beamtete Ministerialdirigenten müßten sie auch im platzverwiesenen Verletzungsfalle niemals mehr um ihre Altersversorgung bangen. Ihr Einsatz im Kampf um den Ball würde härter, konsequenter, erfolgreicher.

Auch Spielern wie Michael Ballack kämen die öffentlich-rechtlichen Wohltaten und diverse dienstrechtliche Klarstellungen leistungssteigernd zugute. Wer nie mehr um die Sicherheit seines Stammplatzes bangen muß, der riskiert auch in schwierigen Situationen gerne einen intelligenten Alleingang durch die gegnerische Abwehr. Denn jedweder Rechtfertigungsdruck gegenüber beispielsweise sechs anderen frei vor dem leeren, gegnerischen Tor stehenden Mitspielern baut sich ja diesenfalls erst gar nicht auf.

Schließlich böte das tarifliche Dienstrecht für den – konsequenterweise zu gründenden und paritätisch aus allen irgendwie gesellschaftlich relevanten Gruppen zu besetzenden – nationalen Fußballrat jede Handhabe, selbst Jürgen Klinsmann zu jedweder Teilnahme an Veranstaltungen metasportlicher Art zu verpflichten.

Der staatliche Apparat mit seinen Zwangsinstrumentarien hat sich ja bekanntlich allerorten als gegenüber der Privatwirtschaft nachhaltig funktionsfähiger erwiesen. Hätten wir in Deutschland andere Aufgabenfelder wie Rente, Gesundheit oder Pflege marktwirtschaftlich und zivilrechtlich organisiert, wären diese sicher – jedenfalls nach Meinung der auszuerkürenden, neuen Bundestrainerin – schon längst zu Lasten künftiger Generationen unrettbar überschuldet.

Natürlich würde die neue Bundestrainerin bei der bloßen Verstaatlichung der Nationalelf nicht stehen bleiben. Auch das noch immer unverändert geltende Regelwerk für das Fußballspiel aus den harten Zeiten des englischen Manchester erführe unter ihrer Leitung selbstredend dringend die Reform und eine konsequente Befreiung von seinen unerträglichen neokapitalistischen, globalisierten Rahmenbedingungen. Es kann schließlich nicht sein, daß ein äthiopischer Fußballer weniger verdient, als ein brasilianischer! Und: Wäre es nicht eine wärmere Welt, wenn der Risikostrukturausgleich der Krankenkassen auch auf die Tore- und Punkteverteilung beispielsweise zwischen Bayern München und dem MSV Duisburg Anwendung fände? Würden nicht alle näher – und viel solidarischer – zusammenrücken, wenn niemand mehr absteigen muß?

Auch Interessenkonflikte heutiger Nationalspieler zwischen Vereins- und nationalen Pflichten lassen sich derzeit wegen der noch privaten, marktegoistischen Gewinninteressen der einzelnen Fußballer nicht vermeiden. Kann aber ein Fußballer, der außerhalb des internationalen Turniers im Ausland spielt, ein richtiger Nationalspieler sein? Diese und andere Fragen müßten endlich basisdemokratisch und selbstverwaltet innerhalb der Mannschaft geklärt werden. Die heutige Kapitänsfunktion muß also von einem mit Feldspielern und Torwarten paritätisch besetzten Elfer-Rat übernommen werden, an dessen Entscheidungen Fan-Räte und andere Nichtregierungsorganisationen Mitbestimmungsrechte erhalten sollten. Das öffentliche Interesse an einem entsprechenden Liga-Modernisierungsgesetz liegt offen auf der Hand.

Ein derart strukturiertes und sauber geplantes, behördliches System zur Berufung von qualitätsoptimierten Spielern in das nationale Kicker-Kollektiv wird Deutschland nicht nur insgesamt für die Zukunft fit machen. Es wird nicht zuletzt auch dafür sorgen, daß alle lokalen Sportvereine endlich von Staats wegen gesetzlich verpflichtet werden, die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, das unerträgliche gemeinsame Duschen mit Heterosexuellen zu beenden, wie es die Schutzgemeinschaft homosexueller Mittelfeldspieler schon seit langem mit Recht fordert.

Des weiteren kann durch eine konsequent verbehördete DFB-Kultur auch die notorisch beklagenswerte Diskriminierung der Frau auf dem Platz rigoros beendet werden. Die Hälfte der Spieler jedes Teams muß weiblich sein. Damit ist allerdings zugleich klar: Die überkommene Teamstärke von elf Teilnehmern je Aufstellung ist kulturell heute nicht mehr tragbar. Gespielt wird jetzt mit je zwölf Spielern (eine Reduzierung auf nur zehn Spieler würde das Laufpensum jedes einzelnen anteilig erhöhen, was mit den zu gründenden Spielergewerkschaften selbstredend nicht zu machen wäre; außerdem schafft diese Aufstockung der Mannschaftskopfstärke Arbeitsplätze).

Aus Respekt vor den Mitbürgern apostolischen Glaubens wird jedoch darauf zu verzichten sein, den schon thematisierten Spieler-Elfer-Rat in einen Zwölfer-Rat umzubennenen; hier muß der interkulturelle Respekt vor dem Glauben anderer jede mathematische Stringenz verdrängen, vergleichbar damit, daß auch in Flugzeugen unmöglich ist, in Reihe 13 zu sitzen.

So lange nicht in allen Ländern dieser Erde Stadien von gleicher Art und Güte gebaut sind, bedarf es im übrigen eines von der UNO überwachten Baustopps für alle anderen Arenen dieser Welt. Eine Überwachung per Satellit in Zusammenarbeit mit den toll-collect-Spezialisten unter Koordination des Bundesforschungsministeriums drängt sich auf und gäbe der deutschen Hochtechnologieforschung neue Impulse.

Es muß insbesondere endlich Schluß sein mit dem eiskalten, heuschreckenartigen Gebaren mancher Teams, gleich mehrere Tore hintereinander schließen zu können. Hier tut eine staatlich regelnde Intervention dringend Not. Wer ein Tor schließt, darf so lange nicht den eigenen Strafraum verlassen, bis das gleichstellende Gegentor gefallen ist! Erst wenn alle Flanken gerecht verteilt sind und die angemessene Teilhabe jedes Teams an den Fehlpässen einer Halbzeit verwirklicht ist, werdet Ihr erkennen, wie man die Bälle barrierefrei in das gegnerische Tor tragen kann!

Diejenige Nationalauswahl, die sich im übrigen weigert, wenigstens einen Schwerbehinderten in ihre Mitte aufzunehmen, wird durch eine Verbreiterung ihres eigenen Tores um einen Meter sanktioniert. Kompensatorisch wird ihr gestattet, durch einen ökologisch wertvollen Verzicht auf Stollenschuhe ihre Querlatte um 50 cm niedriger anbringen zu dürfen. Jedenfalls gilt dies dann, wenn das Spiel mit Bällen aus dem Leder gewaltfrei geschlachteter Rinder bestritten wird und die Tricots garantiert nicht von Kinderhänden genäht wurden. Davon, daß der Spielausgang hierdurch regelmäßig bis in letzte Sekunde offen sein wird, profitiert nicht zuletzt die am Wettbewerb stets interessierte Werbewirtschaft, weil die Zuschauer deswegen sicher länger im Stadion verweilen.

Um die internationale Transparenz kümmern sich multikulturell und diskriminierungsfrei bestellte Schiedsrichter, denen auch jedes Wetten unter Androhung schwerster Strafen verboten ist, es sei denn der Ziehungsbeamte hat sich vor dem Spiel vom ordnungsgemäßen Sitz der gelben und roten Karte überzeugt.

Ungeklärt ist bislang lediglich noch, wie das Anfeuerungsverhalten des Stationpublikums zu steuern ist. Bei der Auswahl und Zusammensetzung des Publikums muß behutsam auf gleiche akustische Stärke beider Anhängerschaften Rücksicht genommen werden. Eine statistisch belastbare Festsetzung von Schlachtenbummlerquoten mit datenschutzrechtlich unbedenklichen Auswahl- und Überprüfungskriterien ist eine originäre Gestaltungsaufgabe für die FIFA (selbstverständlich unter der Rechtsaufsicht des Staates).

Langfristig werden hier neutrale Austragungsorte an Stelle von „Heimspielen“ anzustreben sein, wobei Ausgleichszahlungen für die übermäßig entstehenden Anreisekosten für sozial benachteiligte Fußballfreunde organisiert werden müssen. Diese Reisekosten werden aus den sicher nach wie vor üppigen Spielergehältern zu subventionieren sein. Man darf ja bekanntlich nie vergessen: Nationalspieler gehören bei allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten schließlich immer noch zu einer bevorzugten Bevölkerungsschicht, wie etwa Ärzte, denen die Gesellschaft ihr privilegiertes Studium erst ermöglicht hat. Zu denken ist hier insbesondere an einen Solidaritätszuschlag auf Spielerlöhne, der in einen Topf bei der UEFA eingezahlt und dort nach den Erfahrungen kassenäztlicher Honorarverteilungmaßstäbe in public-private-partnership verwaltet werden kann. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Wer weiß: Vielleicht haben wir Deutschen unter solchen Regeln ja schon recht bald wieder ganz realistische Chancen, auch auf dem Fußballplatz wirtschaftlich effektivitätsoptimiert und mannschaftsärztlich qualitätsgesichert Weltklasse zu sein?

Anm.: Der Autor bestätigt auf ausdrückliche Nachfrage, vorstehend sarkastisch argumentiert zu haben. Anlaß, ihn in der nächsten dritten Halbzeit eines Länderspiels unter der Südkurve zu kreuzigen, besteht daher auch für begeisterte Fußballfreunde definitiv nicht; die Red.

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